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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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unbedingt darauf bestand …
    Lena vergaß den Angeber mit der Lederjacke, änderte ihre Richtung, um so an der Blonden vorbeizugehen, dass sich ihre Blicke nicht begegneten, und machte dann eine Bewegung, die so schnell und unauffällig war, dass sie selbst stolz darauf gewesen
wäre, hätte sie Zeit für einen solchen Gedanken gehabt. Sie hatte sich mit ihrer Beute bereits herumgedreht und war weitergegangen, bevor Lockenköpfchen ihre Berührung auch nur spüren konnte.
    Mit gemäßigtem Tempo, um nicht aufzufallen, steuerte sie den Ausgang an und lauschte dabei gebannt hinter sich, darauf gefasst, jederzeit einen empörten Ausruf oder irgendein anderes Anzeichen von Aufregung zu vernehmen.
    Nichts dergleichen geschah, aber als sie noch zehn Schritte vom Ausgang entfernt war, vertrat ihr eine Gestalt in einem leicht mitgenommen wirkenden Armani-Anzug den Weg.
    »Da bist du ja, Süße«, sagte der Mann mit hochrotem Gesicht. »Hast du gedacht, wir sehen uns nicht wieder?« Drohend baute er sich auf Zehenspitzen vor ihr auf, um aus noch größerer Höhe auf sie herabzusehen. »Du bist geschickt, Süße, das muss man dir lassen. Aber auch ziemlich blöd. Du hättest abhauen sollen, solange du noch konntest. Ziemlich dämlich, wenn du mich fragst.«
    Lena blinzelte. »Kennen wir uns?«
    »Nicht wirklich«, antwortete er. »Aber du wirst mich noch kennenlernen, das versprech ich dir. Besser, als dir lieb ist.«
    Lena wollte zur Seite ausweichen, aber diesmal war sie nicht schnell genug. Der Kerl packte sie am Oberarm mit mindestens ebensolcher Kraft wie der Türsteher vorhin.
    »Hiergeblieben, Schätzchen!«, zischte er. »Wir warten hier schön auf die Polizei! Aber vorher zeigst du mir, was du in deiner Tasche da hast!«
    Lena versuchte sich loszureißen, was er aber nur als willkommenen Anlass nahm, den Griff noch einmal zu verstärken. Es tat so weh, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Spätestens morgen früh würde sie seinen Handabdruck als hübsches grünblaues Tattoo am Oberarm tragen. Mit der anderen Hand versuchte er nach ihrer Tasche zu grapschen und
hätte es wohl auch geschafft, wäre nicht plötzlich hinter ihm eine noch viel größere Gestalt in einem schwarzen Maßanzug aufgetaucht.
    Der Türsteher mit der Ray-Ban und dem Knopf im Ohr hatte es nicht einmal nötig, ihn zu berühren. Seine bloße Präsenz reichte vollkommen aus, um den Rotgesichtigen die begonnene Bewegung abbrechen zu lassen. Er ließ Lena los und trat hastig einen Schritt zurück.
    »Gibt es irgendwelche Probleme?«
    »Probleme?« Der Armani-Träger funkelte abwechselnd den Türsteher und Lena an und spießte schließlich mit dem ausgestreckten Zeigefinger wie mit einer Stichwaffe nach ihr. »Das kann man wohl sagen, dass es ein Problem gibt! Ich dachte, ihr sucht euch eure Gäste besser aus!«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz«, sagte der Türsteher kühl.
    Lena wich nun ihrerseits unauffällig einen halben Schritt zurück und massierte ihren schmerzenden Oberarm. Ihre Gedanken rasten, während sie immer verzweifelter nach einem Fluchtweg Ausschau hielt. Vergeblich.
    »Die Kleine da hat mich beklaut!«, polterte Armani. »Vorhin, als wir auf den Einlass gewartet haben. Sie hat mich angerempelt. Ich hab mir nichts dabei gedacht, aber dann habe ich gemerkt, dass meine Brieftasche weg ist! Und so was lasst ihr hier rein? Ich weiß nicht, ob das noch der richtige Club für mich und meine Freunde ist!«
    »Ihre Brieftasche?« Der Blick der unsichtbaren Augen hinter der Ray-Ban tastete über Lenas Gesicht und ihre nackten Schultern und blieb schließlich an ihrer Umhängetasche haften, deren Riemen mittlerweile wie ein Messer in ihre Schulter zu schneiden schien. Gleich würde er hineingreifen, dachte sie, und dann würde er nicht nur eine, sondern gleich zwei Brieftaschen vorfinden, die nicht dort hineingehörten, nebst
dem einen oder anderen Geldschein, der vor Kurzem erst seine Besitzerin gewechselt hatte.
    Na ja, wenigstens um Holden und seine Schutzgebühr musste sie sich für die nächsten zwei, drei Jahre jetzt keine Gedanken mehr machen.
    Statt jedoch in ihre Tasche zu greifen, drehte sich der Türsteher nun ganz zu dem empörten Gast um, langte unter dessen Jacke und zog eine schmale schwarze Brieftasche hervor. Nicht nur der Armani-Träger machte große Augen.
    »Ist das Ihre Brieftasche?«, fragte der Türsteher. Der Gast wollte die Hand danach ausstrecken, aber er zog die elegante Ledermappe rasch zurück,

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