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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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lauerte. Etwas , nicht jemandem .
    Das alles war nichts als haarsträubender Blödsinn, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Sie war nervös, das war alles. Ein Grund mehr, sich gleich wieder in die Arbeit zu stürzen. Wenn sie früher als Kind vom Fahrrad gefallen war, war sie schließlich auch sofort wieder in den Sattel gestiegen und weitergefahren.
    Dann war es zu spät für irgendwelche Bedenken. Die Tür öffnete sich, um einen Schwall betrunken lärmender Gäste herauszulassen (zumindest einer von ihnen ging nicht ganz freiwillig, wie ihr keineswegs entging), die Schlange rückte vor, und das Pärchen vor ihr trat in einen schmalen Bereich, in dem es tatsächlich so dunkel war, dass Lenas Augen vom grellen Neonlicht geblendet wurden und sie nur noch Schatten sah.
    Sie stolperte nach vorn, prallte gegen den Armani-Träger neben der Dunkelhaarigen, die sie gerade so verächtlich angestarrt hatte, und nutzte die ärgerliche Bewegung, mit der er zu ihr herumfuhr, um eine hastige Entschuldigung zu stammeln und gleichzeitig die Brieftasche aus seiner Jacke zu ziehen. Als sich seine dunkelhaarige Begleiterin ebenfalls zu ihr herumdrehte, um sie nun nicht mehr verächtlich, sondern eindeutig
feindselig zu mustern, hatte sie die Brieftasche bereits in ihrer Umhängetasche verschwinden lassen und ein entsprechend zerknirschtes Gesicht aufgesetzt.
    »Das … das tut mir leid«, stammelte sie. »Ich weiß auch nicht, wieso mir das passiert ist.«
    Der junge Bursche schwieg, aber seine Begleiterin sagte schnippisch: »Weil du nicht hier sein solltest?«
    »Wie?«, sagte Lena.
    »In dem dünnen Kleid und ohne Schuhe«, antwortete die Schwarzhaarige mit einer entsprechenden Kopfbewegung. »Zugegeben, es hat was, aber wir haben nicht mehr August, und bis du an der Tür angekommen bist, sind dir sämtliche Zehen abgefroren. Ganz davon abgesehen«, fügte sie in versöhnlichem Tonfall hinzu, »dass dich die Gorillas an der Tür sowieso nicht durchlassen.«
    Ihr Begleiter musterte Lena noch einmal mit einem herablassenden Blick und wandte sich dann ab. Die Schlange rückte einen Schritt vor. Noch zwei, drei weitere Schritte, dachte sie, und er hatte die Tür erreicht und würde vielleicht nach seiner Brieftasche greifen, um Eintritt zu bezahlen, eine Clubkarte zu zücken oder weiß der Teufel was zu tun. Höchste Zeit, von hier zu verschwinden.
    Sie sah an sich herab, hob demonstrativ die Schultern, seufzte noch demonstrativer, als sie ihre Füße sah, die mittlerweile nicht nur tatsächlich zu Eis erstarrt zu sein schienen, sondern auch vor Dreck starrten, und gab der Dunkelhaarigen im Stillen recht. So würden die Türsteher sie ganz bestimmt nicht einlassen.
    Weil sie auch keinen Wert darauf legte, drehte sie sich mit einem weiteren Seufzen und einem oscarverdächtigen Schulterzucken um. Dabei prallte sie unsanft gegen eine breite Brust, die in einem weißen Hemd und einem perfekt sitzenden schwarzen Anzug steckte. Der dazugehörige breitschultrige Kerl trug ein
kleines Headset im Ohr, das gerade dezent genug war, um auch wirklich von niemandem übersehen werden zu können, und dazu eine schwarze Ray-Ban, obwohl die Sonne schon vor mindestens vier Stunden untergegangen war.
    »Wohin so eilig, Kleines?«, fragte er.
    Lenas Herz machte einen Satz bis in den Kehlkopf hinauf und hinderte sie so daran, weiterzuatmen. Mit leichter Verspätung, dafür aber mit umso größerem Schrecken erkannte sie den Burschen. Vor kaum einer Minute hatte er noch bei den anderen Gorillas vorn an der Tür gestanden.
    »Ich … muss gehen«, antwortete sie. »Hat doch sowieso keinen Zweck.« Ihre Gedanken überschlugen sich. Hatte der Kerl gesehen, was sie getan hatte?
    »Wie kommst du denn darauf, Liebes?«, feixte der Gorilla. Eine seiner gewaltigen Pranken schloss sich um Lenas Oberarm. Gleichzeitig gab er mit dem Kopf ein Zeichen hinter sich, worauf Lenas Herz einen neuerlichen Satz machte: Eine der beiden Videokameras hatte aufgehört, sich zu drehen und starrte sie jetzt wie ein boshaftes rotes Dämonenauge an. Sie war aufgeflogen. Aber was hatte sie denn erwartet? So sehr, wie sie Fortuna heute provoziert hatte, hätte sie sich nicht gewundert, wenn die höchstpersönlich vom Olymp heruntergestiegen wäre, um ihr einen Tritt zu verpassen.
    »Also?« Zu ihrer Überraschung ließ der Gorilla ihren Arm wieder los und machte eine einladende Geste zur Tür.
    »Keine Chance?«, bettelte Lena. Blitzschnell überschlug sie ihre Chancen, einfach

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