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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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der schmalen Liege zu schwingen und sich zum Fenster zu schleppen. Vielleicht wurde es ja besser, wenn sie das feindselige Licht aussperrte. Sie streckte die Hand nach dem Vorhang aus, und es war, als hätte sie in pures Feuer gegriffen.
    Mit einem spitzen Schmerzensschrei taumelte sie zurück, fiel mehr auf die Bettkante hinab, als dass sie sich niederließ, und starrte aus aufgerissenen Augen auf ihre Hand hinab. Sie schmerzte entsetzlich, und Handrücken und Finger waren rot wie nach einem heftigen Sonnenbrand, und als sie mit den Fingerspitzen danach tastete, wurde der Schmerz so schlimm, dass ihr die Tränen in die Augen schossen.

    So schnell der Schmerz gekommen war, so rasch ließ er auch wieder nach. Sie konnte regelrecht dabei zusehen, wie die Hautrötung verblasste; als wäre es nichts als ein übler Traum gewesen … und vielleicht stimmte das ja sogar. Sie hatte immer noch Fieber, ihr Herz raste, und auch mit ihrem Sehvermögen stimmte etwas nicht: Alles, was nicht im Schatten lag, schien in ununterbrochener vager Bewegung zu sein, so als versuchten die Dinge sich ihren Blicken zu entziehen. Was für ein verrückter Gedanke!
    Dennoch war das Licht noch da, und sie musste sich dieser Bedrohung stellen. Was, wenn sie einschlief und die Sonne weiterwanderte und sie verbrannte, ohne dass sie es rechtzeitig merkte?
    Mit dem letzten bisschen Kraft, das sie noch in sich fand, stand sie auf, nahm ein Lineal vom Schreibtisch und schloss damit mühselig den Spalt in den Vorhängen.
    Sie schlief wieder ein, dieses Mal aber nicht für lange.
    Es war im Zimmer dunkler geworden, aber die Sonne war noch nicht untergegangen. Ihr verzehrendes Feuer loderte auf der anderen Seite der Vorhänge, und an einer Stelle hatte es sogar eine Lücke in Lenas letzter Bastion gefunden: ein münzgroßes Loch, von dem ihre Mutter behauptete, Motten hätten es hineingefressen, das in Wahrheit aber eines von zahllosen Brandlöchern war, die sie überall in der Wohnung mit ihren Zigaretten hinterließ. Lena betrachtete den gebündelten Strahl ein paar Sekunden lang nachdenklich, schüttelte dann über sich selbst verärgert den Kopf und ging zum Fenster, um die Hand in den Lichtstrahl zu halten; oder wenigstens den Zeigefinger. Schließlich war es nur Licht.
    Das sich wie ein Hauch aus der Hölle in ihr Fleisch brannte.
    Der Schmerz war hundertmal schlimmer, als sie erwartet hatte. Trotzdem hielt sie ihn mit zusammengebissenen Zähnen aus, während sie fassungslos auf ihre Fingerspitze hinabstarrte.
Das Fleisch glühte in einem tiefen Orange. Winzige Hautfetzen lösten sich ab und schwebten qualmend in die Höhe, wie um der verzehrenden Sonnenglut entgegenzueilen; Motten gleich, die vom Licht angezogen wurden und ihm nicht widerstehen konnten, obwohl sie wussten, dass es ihren Tod bedeutete, ihm zu nahe zu kommen.
    Schließlich hielt sie den Schmerz nicht mehr aus, torkelte mit tränenden Augen zum Bett zurück und sank auf die besudelte Matratze. Ihr Finger schwelte, und auch die unheimliche Glut war noch da. Wie ein leuchtender E.T.-Zeigefinger direkt aus der Hölle, dachte sie hysterisch. Es dauerte eine Weile, bis das unheimliche Glühen nachließ - während der Schmerz noch blieb -, aber ihr verzweifelter Versuch, sich einzureden, dass das alles nicht wirklich geschah und sie nur einer besonders heimtückischen Halluzination erlag, mit dem ihr vom Fieber gebeuteltes Gehirn sie plagte, funktionierte nicht. Der Schmerz war real, und ihre Fingerkuppe war verkohlt, als hätte sie sie auf eine heiße Herdplatte gedrückt.
    Genau wie vorhin, als sie nach dem Vorhang gegriffen hatte, ließ der Schmerz auch jetzt schließlich nach. Es blieb ein unangenehmes Gefühl zurück.
    Was um alles in der Welt hatte Louise ihr angetan?
    Diese Irre hatte sie gebissen, gut, und das war sowohl sehr schmerzhaft gewesen als auch nicht gerade ungefährlich, aber ganz bestimmt keine Erklärung für … das hier. Behutsam tastete sie mit der unversehrten Hand über ihren Hals. Er war noch immer geschwollen, und auch die beiden winzigen verkrusteten Wunden, die mehr an Stiche als an Bisswunden erinnerten, waren noch da. Ob es auch das schwarze Adernnetz unter ihrer Haut noch gab, verriet ihr ihr Tastsinn nicht, aber sie nahm es an. So miserabel, wie sie sich momentan fühlte, ging es ihr zusehends schlechter, nicht besser. Sie hatte auch immer noch Fieber.

    Und entsetzlichen Durst, was aber auch kein Wunder war. Schließlich hatte sie beinahe den ganzen Tag

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