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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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davon, was die Kerle hier gesucht haben?«, fragte Tom.
    Lena sah sich um. »Nein. Sieht aber so aus, als hätten sie’s gefunden.«
    »Hoffentlich.« Tom kam näher. Zum ersten Mal fiel ihr auf, wie gut er roch. Etwas regte sich in ihr. »Lass uns Klartext reden, Lena«, sagte er. »Diese Kerle sind gefährlich. Wenn sie gefunden haben, was sie wollten, dann ist es okay. Wenn nicht, dann kommen sie wieder, und ich bin nicht immer da, um dich zu beschützen.«
    Lena sah sich erneut um. Beschützen?
    »Sie sind hinter Iwan Grasanows Brieftasche her«, sagte Tom.
    »Iwan Grasanow?« Fast hätte Lena gelacht, weil ihr Russe tatsächlich Iwan hieß.
    »Deine Zufallsbekanntschaft vom Geldautomaten. Er hatte etwas bei sich, was für ihn und seine Freunde von großem Wert ist. Für uns auch, aber das habe ich dir ja schon mal gesagt. Wenn du sie weggeworfen hast, ist das Pech für uns, aber gut für dich. Wenn du sie allerdings irgendwo versteckt hast, dann sag mir lieber, wo.« Er kam ihrem Widerspruch zuvor, indem er die Hand hob und abermals ein Stück näher kam. Lenas Herz begann zu klopfen. »Die Jungs verstehen keinen Spaß. Sei froh, dass du nicht hier warst. Sonst könnte ich dich jetzt vielleicht in deiner ganzen Schönheit betrachten, aber mit einem Zettel am großen Zeh.«
    Warum hörte er nicht endlich auf? Er war ihr nahe, viel zu nahe. Sie konnte seine Wärme spüren, seinen verlockenden Duft, seine Lebendigkeit.
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon du sprichst«, sagte sie. Sie spürte nicht nur seine Lebendigkeit. Sie konnte das Blut spüren, das in seinen Adern pulsierte. Sie konnte es riechen .
    »Du willst unbedingt, dass ich den Polizisten rauskehre, wie?« Tom klang enttäuscht. »Schade. Aber wie du willst: Grasanows
EC-Karte ist von einem Automaten gleich hier um die Ecke eingezogen worden. Und noch am gleichen Abend sind zwei freundliche Herren mit russischem Akzent in der Bank aufgetaucht und haben den Filialleiter überredet, ihnen das Video der Überwachungskamera zu geben.«
    »Einfach so?«, fragte Lena. Warum ging er nicht? Sie starrte seine Halsschlagader an. Ihre Hände begannen zu zittern, und der Hunger, der in ihren Eingeweiden wühlte, wurde mit jeder Sekunde unerträglicher.
    »Einfach so.« Tom lachte rau. »Ich glaube, er wird morgen schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Seine freundlichen Besucher haben das Video jedenfalls bekommen. Ich bin echt erstaunt, dass sie nicht schon früher hier aufgetaucht sind.«
    Dabei waren sie das doch. Lena fragte sich, ob Tom ihr bisher absichtlich verschwiegen hatte, dass Iwan tot war, oder es vielleicht wirklich nicht wusste, aber es fiel ihr schwer, diesen Gedankengang zu verfolgen. Sein Blut war so nahe, so verlockend. Sie wollte es. Sie brauchte es.
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte sie stur. »Ich habe die beschissene Brieftasche nicht mehr.«
    Toms Blick wurde bohrend, und er kam noch einmal näher. Nur ein paar Zentimeter, aber dennoch zu nahe. Sie wollte ihn, jetzt. Alles in ihr schrie danach, ihn zu packen und an sich zu reißen, ihm die Zähne in den Hals zu schlagen und sein süßes Blut zu trinken.
    »Aber wenn du doch noch …«
    »Verdammt! Schau dich doch in diesem Rattenloch um! Sieht es hier so aus, als gäbe es irgendetwas von Wert?«
    »Grasanow ist tot, Lena«, fuhr Tom ungerührt fort. »Jemand hat ihn umgebracht und drei seiner Freunde gleich mit. War eine ziemliche Schweinerei!«
    »Dann ist es ja gut.«

    »Gar nichts ist gut«, erwiderte Tom. Sein Blut schrie nach ihr. Sie war so hungrig . »Das Ganze sieht nach einem ausgewachsenen Krieg im Rotlichtmilieu aus. Und ganz davon abgesehen, dass ich mir etwas Schöneres vorstellen kann als zwei verfeindete Mafia-Clans, die auf den Straßen ein Blutbad anrichten, möchte ich nicht, dass dir etwas zustößt.« Er wartete vergeblich auf eine Antwort. »Also? Weißt du, wo die Brieftasche ist? Ich verspreche dir, dass ich dich aus der Sache raushalte.«
    »Woraus raushalten?«, fauchte sie. »Ich weiß gar nicht, wovon du redest. Und jetzt verschwinde endlich! Ich bin müde, und ich muss hier aufräumen!«
    Und das schnell. Draußen begann es hell zu werden, und sie konnte spüren, wie das tödliche Licht der Sonne näher kam.
    »Und du bist dir ganz sicher, dass …«
    »Ja, verdammt!« Jetzt schrie sie wirklich. »Und jetzt geh endlich! Hau ab!« Die Tür hinter ihr wurde so plötzlich aufgerissen, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor.
    »Alles in

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