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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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fertig. Die Ulbrichin war ruhig geworden, und lächelnd trat mein Freund ins Zimmer. »Hast du alles gemacht? ... Mensch!« rief ich gerührt und er nickte.
    »Alles ... Da hab' ich noch Zigaretten mitgebracht ... Sie ist schon beruhigt«, erwiderte er, und weil ich ihn sehr lobte, wurde er selbstbewußt und wollte nun die ganze Angelegenheit allein mit der Ulbrichin regeln. Ich sollte nur liegen bleiben, gleich war's vorbei und dann - nichts wie los, meinte er. Ich ließ ihm freie Hand. Doch schon nach einigen Minuten kam er wieder herein. »Hast du Worte? Jetzt war das Biest schon ganz vernünftig ... Du mußt sie um Verzeihung bitten und erst kündigen, sagt sie ... Mit mir verhandelt sie nicht, die Kröte!« berichtete er. Nun war ich am Ende. Mit einem Satz war ich aus dem Bett.
    »Zieh dich aus! Leg dich einstweilen ins Bett! Wir wollen doch seh'n!« schrie ich ganz außer Rand und Band. Hurtig tat er's. Ich warf mich in seine Kleider. Die waren mir viel zu eng und zu kurz. Ich stürzte in die Küche. »Also, was wollen Sie noch, Frau Ulbrich?« schrie ich. »Wollen Sie jetzt die Sachen gutwilligerweise hergeben oder ich schlage Ihnen alles kurz und klein ... Sofort!« Ich bebte. Sie schrie allerhand durcheinander und warf die Arme. Das Kind lief davon um einen Schutzmann. »Sie haben nicht gekündigt!« beharrte sie.
    »Scheiße hab' ich! Her mit den Sachen! Wo sind sie! Her damit, her!« brüllte ich, und als ich in der Küche nichts davon bemerkte, rannte ich an ihre Schlafkammertür, stemmte mich mit aller Kraft dagegen und stieß die schreiende, kratzende Keife weg: »Machen Sie sofort auf oder es passiert was! Ich sag's zum letzten Mal! Los! Auf!«
    Die Ulbrichin hatte sich wieder aufgerichtet. »Gut«, sagte sie und öffnete, hola Sie sich Ihre Drecksacha! ... Der Schutzmann wird Sie schon kriega ... Schäma Sie sich, Sie, Sie - Sie Lump Sie!« Ich kümmerte mich nicht um sie, nahm die Sachen und trug sie in unsere Zimmer.
    »Hochstapler!« plärrte sie und sah durch die offene Tür. Einen Augenblick stockte sie und dann jagte sie wie eine flatternde Fahne ins Schlafzimmer, ans Bett zu Hobrecker und fing nun erst recht an. »Da! Da sieht man, was Sie mit Ihrem Freund macha! I-i-ich verbiete mir das! ... I-ich verbi-i-iete ... So was kenn' ich! - Ich werd' Ihre Frau aufklären! ... Dem Schutzmann - dem Schutzmann sa-aag ich's ... Eine Sauwirtschaft ist's! ... Mit die Männer haba Sie's! Sie, Sie, Sie ganz verkommenes Mannsbild!« sprudelte sie förmlich wie ein wild hervorbrechender Schandquell aus sich heraus, raufte sich die Haare, bedrohte Hobrecker, der hellauf zu lachen anfing und rannte endlich, als sie sah, daß alles nichts wirkte, wie eine Furie aus dem Zimmer. »Mensch! Thm!« machte ich kopfschüttelnd und mußte selber lachen.
    »Ja, weißt du, das ist der kleine Bürger! Der kleine Bürger, das ist das Unsittlichste von der Welt!« sagte Hobrecker weltweise und stieg schlotternd aus dem Bett. Wieder wurde der Anzug gewechselt. Wir packten hurtig die für das Leihamt bestimmten Habseligkeiten zusammen und horchten einige Minuten. Als wir aus der Küche Tellergeklapper vernahmen, öffnete Hobrecker leise die Tür, ich lief voraus und riß hinwiederum die Korridortüre auf und er machte einen Satz und war weg.
    Nach einer Weile kam der Junge der Logisfrau zurück. Anscheinend hatte ihm der Polizist ebenfalls gesagt, daß ihn Wohnungsangelegenheiten nichts angingen. Schon plärrte die Ulbrichin wieder gottesjämmerlich. Ihr Mißerfolg freute mich. Sofort war ich wieder für den Staat eingenommen. Ich triumphierte darüber, daß er nicht auf jedes alte Zankweib hörte.
    Nachdem mein Freund zurückkam, stürzte ich mit Windeseile zur Tür im Korridor. Ebenso meine Logisfrau. Wir prallten aufeinander wie zwei schwer aufgepumpte Fußbälle. Sie flog ächzend an die Wand und hielt wimmernd ihren Kopf. Bis sie sich besann, waren wir schon in unseren Zimmern und riegelten die Tür zu. Wie rasend hämmerte sie mit den Fäusten auf diese, aber wir achteten nicht darauf. Alles wurde zusammengerafft. Dann marschierten wir hintereinander wie dickbepackte Lastesel an der um sich schlagenden Ulbrichin vorbei, hinaus aus der Wohnung. Alle Inwohner des Hauses hatten die Türen geöffnet und schauten uns mit finsteren Mienen nach. Drunten, mitten auf der Straße, setzten wir unsere Lasten ab und hielten Rat. »Also, du bleibst bei den Sachen und hältst Selma auf, daß sie nicht hinaufgeht ... Ich schau

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