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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Zeit gewonnen.
    »Wie einer heißt, danach frag' ich nicht ... Ich glaub', er hat Glaser geheißen«, gab ich zurück.
    »So ... Also, der heißt Paul Guttfeld, daß Sie es wissen«, sagte der Protokollierende.
    »So, Guttfeld? ... Hm, das hat mich nie gekümmert ... Ich weiß bloß was von Glaser«, erwiderte ich mit argloser Unverschämtheit und sah keck auf den Mann, dann suchte ich wieder Pegus Augen. »Schau'n Sie nicht umeinand, wenn man mit Ihnen spricht!« fuhr mich der Ausfrager energisch an und war schon wieder in der Reihe: »Also, der Herr Glaser ist zu Ihnen gekommen? ... Wann war denn das?« Er notierte.
    »Das weiß ich nicht mehr genau ... Ungefähr vor zwei Monaten«, war meine Antwort.
    »Und woher er kommt und was er treibt, das haben Sie nicht gefragt?
    ... Nett so was, sehr nett! ... Haben Sie den Glaser schon länger gekannt?« erkundigte sich der Mann plump.
    »Ich hab' ihn kennengelernt, wie er zu mir gekommen ist ... Ja und dann, das tun wir nie, daß wir uns kümmern, was einer treibt oder ist ... Wenn ich nach Berlin komme, da treff ich auch allerhand Leute und bleib' bei wem über Nacht ... Den kümmert's ja auch nicht, was ich treibe«, sagte ich jetzt sicher.
    » Wir? /« wandte sich der Ausfrager an mich: »Wen meinen Sie denn da mit dem Wir? ... Ist denn das ein Verein oder ein Klub, oder was ist denn das?«
    Ich mußte unwillkürlich ein wenig lächeln und schüttelte den Kopf. »Nein, das ist gar nichts ... Ich meine unter Literaten und Künstlern ... Wenn da einer kommt und ich hab' keinen Platz, nun ja, nachher schau' ich eben, daß ich eine Bude finde für ihn ... Was er macht, das geht mich doch nichts an«, antwortete ich ein wenig ironisch. »Soso, der Herr Glaser ist also zu Ihnen gekommen und hat gesagt, er braucht ein Zimmer? ... War er allein?« fragte er schon wieder weiter. Schorsch rührte sich.
    »Der Glaser ist zuerst zu mir gekommen und ich bin zum Graf mit ihm«, sagte er statt meiner. Man verbat sich die Zwischenrede nicht.
Der Polizist notierte. »Also der Herr ist mit ihm zu Ihnen gekommen?« fragte er mich abermals.
»Ja«, nickte ich.
»Ist er dann bei Ihnen über Nacht geblieben?«
    »Nein ... Ich bin ja verheiratet, da geht es nicht«, sagte ich. »So ... Und haben Sie dann ein Zimmer gefunden?«
    »Ja«, antwortete ich und das ganze Gewirr, das sich nun ergeben würde, schoß mir durch den Kopf. Ich besann mich mit aller Anspannung, was anzugeben sei.
    »Wo denn ...?« fragte der Polizist. Einige Sekunden überlegte ich scharf, dann ließ ich mich aus. Es war mir schon alles gleich, sie wußten ja doch schon viel mehr, als wir glaubten, rechnete ich. Ich gab die Adresse von Pegus Schlupfwinkel an. Der Mann am Tisch notierte, sagte:
    »Soso, Schnorrstraße fünf, Gartenhaus«, und der kleine Polizist griff noch einmal meinen ganzen Körper ab.
    »Ist er fertig?« fragte der Kleine und der Protokollführer nickte. Ich wurde abgeführt. Einen dunklen Gang entlang ging es, dann standen wir vor einer blechüberzogenen, lackierten Türe. Der Schutzmann sagte zum Wärter, welcher öffnete: »Der kommt in Einzelhaft.« Es ging etliche Treppen tiefer, wieder ungefähr zehn Schritte in einem kahlen, spärlich erleuchteten Gang weiter, der Wärter riegelte, eine ebenfalls blechüberzogene Tür auf, und der Schutzmann schob mich in die Zelle. Ich hörte die beiden draußen noch einige Worte wechseln. Ihre Schritte klapperten über die Steinfliesen, wieder vernahm ich Türaufriegeln, und still war es.
    Im Moment dachte ich nur an Pegu und Schorsch, lehnte mich, ohne meine Umgebung zu beachten, an die kalte glatte Türe und malte mir aus, was die zwei Kameraden alles aussagen würden. Dumm, sehr dumm, wir sollten doch vorher genauer über einen solchen Fall gesprochen haben. Hol's der Teufel!
    Selma wird heimkommen, dachte ich flüchtig, wird den Zettel finden und warten. Sie wird sich ärgern, dann unruhig werden, nicht schlafen und herumlaufen. Herrgott, und morgen sollte ich die Versatzzettel beim Leihamt verlängern lassen, sonst verfällt alles ... Ich wurde mißmutig. Ganz von ungefähr erinnerte ich mich an die illustrierten Wochenhefte, die wir zu Hause abonniert hatten, als ich noch ein Bub war. Nimm mich mit hatten sie geheißen und jedes hatte ein buntes Titelbild, das das neueste Ereignis festhielt. Da sah ich einmal den Zug des Popen Gapon der russischen 1905er Revolution, er voraus mit dem Kreuz, eine unzählige Masse hinterher, entschlossen zum Letzten

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