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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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auf. Der eine hatte einen Korb voll dünngeschnittener Schwarzbrotstücke, der andere - ein schmuddliger, bauchiger Koloß - legte eine Schnitte Brot auf die Pritsche. Schweigend schlossen die zwei die Türe wieder. Ich hörte draußen überall das gleiche. Ich setzte mich auf die Pritsche, aß das Brot, nahm ab und zu einen Schluck des bitteren Kaffees und versuchte meine Gedanken zu ordnen.
    Nun ließ sich so ziemlich alles Kommende berechnen: Mehrere Verhöre, dann eine Verhandlung, die Verurteilung und soundsoviel Zeit vom Leben abgeschnitten. Vorläufig saß man in diesem Loch und mußte eben warten. Vornehmen ließ sich nichts, Beschäftigung gab es keine, rauchen konnte man auch nicht; das Drama, der Professor, die Versatzzettel, Selma, die Diskussionsabende und die kommende Revolution - alles war jäh ausgelöscht, fast wie weggerissen. Und weiß Gott auf wie lange!
    Ich tappte hin und her, nur um etwas zu tun. Ich wurde auch wieder ein wenig aufgeheiterter. Hm, dachte ich, das kannst du später einmal alles schildern, das gibt vielleicht eine schöne Geschichte. Sehr schön, sehr schön! Eigentlich ist für einen Dichter alles rentabel. Im Ungefähren formte ich auch schon einzelne Szenen und wurde ganz zufrieden mit meiner Lage. Plötzlich wurde das Licht ausgeknipst. Ärgerlich blieb ich stehen und knurrte halblaut. Dann tastete ich mich behutsam an der Pritsche entlang und stieß dabei den halbgeleerten Kaffeenapf um. Er fiel klappernd herab und die Flüssigkeit rann mir über die Füße. Ich wurde wütend und pfiff hell auf. Pegu antwortete sogleich. »Oskar?« fragte er herüber. »Ja! Pegu? ... Es ist zum Kotzen!« »Kopf hoch! Alles egal!« antwortete er tröstend.
    »Na, schlaf wohl!« grüßte ich hinüber und derselbe Gruß kam zurück.
    Ich kroch auf die Pritsche, zog meine Joppe aus, machte mir ein Kopfkissen zurecht, wickelte mich in die Decke und versuchte zu schlafen. Stunden verrannen träge. Mich fror. Hin und wieder fielen mir die Augen zu, dann lag ich wieder lange Zeit wach. Wie gerädert erwachte ich, als das elektrische Licht wieder angeknipst wurde. Es gab wieder Kaffee und Brot. Kurz darauf holte mich der Schutzmann zum Verhör.

XIV
DAS VERHÖR

    In dasselbe Zimmer, in welchem wir auf der Polizei angekommen waren, kam ich, und abermals vernahm mich der starkgebaute Polizeikommissar. Er war diesmal gemütlicher und ließ mich sogar auf einen Stuhl setzen. Ich mußte erneut meine Personalien angeben. »Herr Graf«, fing alsdann der Mann an und betonte das Wort »Herr« ironisch: »Ich habe jetzt Ihre Brieftasche durchgeschaut ... Sie sind in recht schlechten Verhältnissen, sehe ich ... Das meiste haben Sie auf dem Leihamt, hm?«
    »Ja«, sagte ich, »wegen der Versatzzettel wollte ich auch reden ... Da verfallen nämlich einige, wenn sie nicht verlängert werden ... Kann mich nicht ein Schutzmann zum Leihamt führen, daß ich das regeln kann?«
    Der Kriminaler verneinte und gab an, das würde schon gemacht werden. Dann drehte er sich ganz mir zu: »Sie sind früher Bäcker gewesen? ... Sie sind ja ein ganz anständiger Mensch! ... Da haben Sie sich was Schönes eingebrockt mit dem Guttfeld.« Er versuchte es mit arglosester Treuherzigkeit. Ich schaute in sein gerötetes, gesundes, witzloses Gesicht, und da er anscheinend annahm, ich bereue alles, schöpfte er Hoffnung. Noch viel wärmer fuhr er fort: »Sie sind verheiratet, Ihre Frau ist Buchhalterin und erwartet ein Kind?« Ich nickte. Er ließ mich nicht aus den Augen.
    »Sie sind auch in den Eisnerversammlungen gewesen, Herr Graf?« sagte er harmlos. Ich bejahte. Er nickte.
    »Da haben Sie einmal in der Diskussion gesprochen und haben gesagt, die Soldaten sollten aus der Kaserne gehen?« fragte er. Ich zögerte und besann mich rasch.
    »Herr Kommissar«, sagte ich jetzt so vertrauensselig als ich nur konnte, »mir ist so furchtbar heiß, dürfte ich vielleicht um Wasser bitten?« Demütig schaute ich. Der Mann erhob sich allerfreundlichst und goß mir aus einer Wasserflasche ein: »Da trinken S'.« Ich trank das Glas in einem Zug aus und schnaufte, daß man für mich Verdurstenden direkt Mitleid fassen mußte.
    »Danke schön ... Besten Dank, Herr Kommissar«, sagte ich devot, und als er wieder mit den Diskussionen bei den Eisnerabenden anfing, erklärte ich scheinbar bereitwillig: »Gesprochen? ... Soviel ich mich erinnern kann, gesprochen hab' ich nicht, Herr Kommissar ... Nein - nein, das hab' ich nicht ... Überhaupt, ich

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