Wir sind Gefangene
gekauft wird. Helfen Sie mir. Ich lebe in großer Armut und gebe Ihnen mein Werk zu jedem Preis. Ich hoffe, daß ich bald Antwort und Geld von Ihnen bekomme. Ich schicke dann das Werk sofort an Sie ab. Es grüßt Sie, dankend im voraus, Oskar Graf, Schriftsteller, München, Hotel Kronprinz.«
An andere wieder schrieb ich fragend: »Werter Herr oder Beste Firma! Haben Sie Raum in Ihrem Verlag für ein zugkräftiges Drama aus der Jetztzeit? Ich kann Ihnen sofort nach Antwort zwei Stück Dramen in vier Akten schicken. Was Sie mir vorschlagen, auf das gehe ich ein, aber es muß schnell gedruckt werden. Rückporto liegt bei. Gruß und Dank im voraus, Oskar Graf usw.« Gedruckte, schreibmaschinengeschriebene und handschriftliche Absagen regnete es. Es war unerhört. Ich schickte einfach die Dramen selber ein. Bekam sie sehr schnell oder gar nicht mehr zurück, bis ich schrieb, was es denn eigentlich sei. Diese Anfragebriefe waren meistens grob: »P. P. Ich habe geglaubt, Sie müßten der einzige Verlag sein, der alles liest und einem jungen Talent aus der Not hilft. Ich hoffe, daß ich morgen Antwort habe. Andere Verleger warten schon. Ich muß Sie sonst bitten, daß Sie das Werk schicken. Es ist schade, aber ich muß Ihnen so schreiben. Gruß Oskar usw.«
Dann kam meistens das Manuskript ohne Brief zurück. Ich schüttelte den Kopf. Es half nichts. Ja, dachte ich, sie haben eben das Stück nicht gelesen. Sonst stünde ich heute vielleicht schon auf dem Theaterzettel. Trostlos.
Ich sah mich in den Auslagenfenstern der Bücherläden um.
Was war jetzt gerade neu und wurde angepriesen? Schnurren von Georg Queri. Ich schrieb sofort einen Band oberbayrischer Schnurren und bot sie allen möglichen Verlegern an. Nichts von Annahme, nicht einmal das Manuskript erbat man sich. Einer schrieb, nachdem ich einfach das Manuskript geschickt hatte: »Wer wird denn so etwas drucken und verlegen?« Ich pries wieder meine Dramen. Das Geld ging zu Ende. Verflucht.
Ich schrieb an Nanndl. Zwanzig Mark kamen. Sie versprach weiter. Gott sei Dank! Ich stürzte mich in die Arbeit. Immer Briefe. Und in der Nacht - Arthur Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit . Kein Geld mehr. Nanndl sandte fünf Mark und schrieb: »Ich kann Dir nichts mehr schicken. Es geht nicht mehr. Sende auch keine Briefe mehr an den Schuster. Der mag nicht mehr.« Was nun? Meine Ruhe war weg.
Nächte hindurch las ich Schopenhauer. Meine Zimmernachbarin, eine Frau Baronin, legte mir einen Brief herein: geehrter Herr Graf! Als Ihre Zimmernachbarin, möchte ich Ihnen mit einer Bitte nähertreten, die Sie mir sicher nicht übelnehmen werden. Soviel ich fleißiges Studieren schätze, so bäte ich Sie doch ebenso dringend wie höflich, etwas leiser zu lesen. Zu Ihrer Arbeit besten Erfolg wünschend, zeichnet in vorzüglicher Hochachtung Frau Baronin soundso.«
Was tun? Verflucht! Verflucht! Verfluchter Hosenknopf! Ich schickte mein Drama Die Furcht vor dem andern wieder ein. Einen langen, flehenden Brief hatte ich beigefügt. Sogar »Eingeschrieben« schicken hatte ich mittlerweile schon gut gelernt. Das mußte ziehen. Ich wartete. Plötzlich kam ein Brief von diesem Verleger. Er antwortete, daß er das Drama mit großem Interesse gelesen habe, und daß ein sehr großes Talent daraus spräche. Er wolle das Stück verlegen. Die Kosten betrügen 450 Mark. Dafür käme das Buch schnellstens heraus und sehr gut aufgemacht in einer Auflage von
1000 oder 2000 Stück. Ich bekäme vom Stück ausnahmsweise 25 Prozent vom Verkaufspreis. Ich rechnete schon. Der Sieg war da. Ganz selbstbewußt sagte ich zum Kellner, als er mir am andern Tag
einen Brief von einem andern Verleger gab: »Jetzt kommen sie, weil ich mein Werk losgebracht habe! Zuerst besinnen sie sich immer.« Der sah mich nur maliziös lächelnd an. Mit bedeutender Geste ging ich weg. Ja, aber wo bringe ich die 450 Mark her?
Sofort schrieb ich an Nanndl einen ungeheuer langen Brief und zugleich an den Schuster einen, daß er mir diesen letzten Gefallen noch tun solle. Ich würde ihm, sobald mein Werk heraus wäre, Freibillette schicken und Geld, daß er sich die Aufführung ansehen könne.
Und wieder schrieb Nanndl: »Ich habe kein Geld nicht mehr. Ich kann nicht.« Was jetzt?
Vier Mark hatte ich noch. Kaum sechs Wochen war ich von zu Hause weg. Was tun? Ich war am Rande der Verzweiflung und auf der Höhe des Beglücktseins. Immer wieder las ich des Verlegers Brief. Dann kam der Vertrag und ein drängender Brief,
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