Wir sind Gefangene
Servieren ... Je nachdem eben und wie es dem Herrn paßt...« Er linste auf mich und machte ein zerschlissenes Gesicht. Er lächelte servil.
»Was kostet das?« fragte ich und zog schon wieder mein Geld heraus, »ich kann es Ihnen ja gleich geben und Sie machen dann alles mit den anderen ab.« Das hinwiederum frappierte den scheinbar weltgewandten Kellner so sehr, daß er schnell wieder weiterredete. »Ja, mein Gott, man gibt halt immer so drei bis vier Mark jeder Person«, redete er unentwegt weiter und lächelte zuvorkommend, wollte ein Zehnmarkstück als Rest von den hundert Mark zurückgeben.
»So, da sind noch mal zwanzig Mark, dann habe ich also für die drei Monate alles bezahlt«, sagte ich und gab ihm abermals einen Zwanzigerschein mit dem Zehnmarkstück zurück. Der Mann verbeugte sich elegant und dankte gelassen, sagte sofort wieder sachlich: »Ich sag' es dann gleich dem Hausburschen, daß er Ihren Koffer holt ... Die Zettel, bitte ... Und - und dann ... dem gibt man halt dann auch noch hie und da für dies und das ein kleines Trinkgeld.«
»So dankschön«, sagte ich und setzte hinzu: »Ja, wenn er mir den Koffer bringt, geb' ich ihm schon was.« Der Kellner sagte: »'s ist recht, Herr!«, verbeugte sich noch einmal und ließ mich allein. Ich setzte mich, ohne meinen Mantel abzulegen, auf einen Stuhl und ließ mich gehen. Nach einer Weile klopfte es. Der Hausknecht brachte mir den Koffer, nahm die Mütze ab und blieb stehen, als ob er auf etwas warte. Ich gab ihm fünf Mark. Er dankte sehr aufmerksam und verließ mich. Als ich mitten im Auspacken war, klopfte es abermals. Das Zimmermädchen kam lächelnd herein, gab mir bedruckte Anmeldezettel, stellte Tinte und Feder hin und sagte mit fadendünner Stimme: »Der Herr möchten das ausfüllen« und ging auf den Zehenspitzen wieder hinaus. Ich hängte meine Kleidungsstücke in den Schrank, legte die Maggiwürfel in die Tischschublade, stellte den Spirituskocher in die Ofendurchsicht, die Flaschen an die Wand, legte die paar Hemden in die Kommodenschublade und richtete mich ein wenig häuslich ein.
Wieder klopfte es. Nach meinem Hereinruf kam der Kellner und
fragte: »Will der Herr bei uns Abendessen oder geht er auswärts?«
Er wollte mir die Speisekarte reichen.
Ich sagte: »Nein.«
Er sagte: »So« und schloß die Türe wieder. Ich ging unbehaglich auf und ab. Es wurde dunkel. Ich drehte das elektrische Licht auf, entkleidete mich und legte mich zu Bett. Lange lag ich vollkommen gedankenlos da und schlief endlich ein.
Am andern Morgen klopfte es sehr früh - glaube ich -und als ich aufschreckte und fragte, sagte das Zimmermädchen: »Wollen der Herr das Frühstück aufs Zimmer?« »J-ja«, antwortete ich schlaftrunken, »aber ich bin noch im Bett ... Gleich nachher!« »Bitte läuten Sie dann«, sagte das Mädchen, und ich hörte seine Schritte im Korridor verhallen. Ich schlief wieder ein und erwachte, als die Sonne schon sehr hoch stand. Das Geräusch der Stadt trug eine merkwürdige Stimmung in den Raum. Ich sprang eilig aus dem Bett, wusch mich und kleidete mich an. Ich wollte so schnell wie möglich hinaus auf die Straßen. Es war widerwärtig fremd hier. Ich wußte nicht recht, was ich anfangen sollte. Ich klingelte. Das Frühstück wurde gebracht. Ich schlang alles mit aufgeregter Hast hinunter und ging weg.
Die Straßen waren menschenübersät. Mein erster Gang war ins Warenhaus. Ich schnüffelte bei den Büchern herum. Als die Ladnerin kam, bestellte ich eine Unmasse davon, sagte, sie sollten ins Hotel Kronprinz geschickt werden und ging weiter.
An der Ecke Augustenstraße trat ich in ein Cafe, setzte mich unbeholfen hin. Die Kellnerin kam, stellte eine Tasse hin und fragte: »Einen Kaffee, bitte?« Ich nickte. Sie goß ein, fragte wieder: »Kuchen?«
Ich sagte: »Ja«, rührte den Kaffee um, trank ihn aus und aß den Kuchen dazu. Ich überlegte. Was sollte ich nun tun? So schnell geht man doch nicht. Der Wirt auf dem Lande macht da gewöhnlich ein schiefes Gesicht, wenn ein Gast wegen eines Glases Bier den Platz versitzt.
Ich bestellte also abermals Kaffee. Mit Kuchen. Selbstverständlich. Immer sah ich dabei auf die umhersitzenden Gäste, um zu sehen, wie man sich verhält. Die saßen lesend oder Karten spielend um die Tische. Komisch, dachte ich, komisch, wieviel Kaffee die Leute trinken! Den ganzen Nachmittag sitzen sie da und verschlingen eine Tasse um die andere. Und ich trank aus, bestellte abermals. Schon begann die Kellnerin
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