Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
Vom Netzwerk:
sei ja geradezu eine Schande für die ganze Rekrutenschaft.
    Als ich dem Arrestfeldwebel vorgestellt wurde, musterte derselbe mich spöttisch und sagte zum Unteroffizier: »Junges Gemüse.« Darauf zog der Unteroffizier ab. Der Feldwebel plapperte mir die Verhaltensmaßregeln im Arrest vor, führte mich in den ersten Stock hinauf und sperrte mich in eine kalte, dunkle Zelle. Drei Tage bei Wasser und Kommißbrot in diesem Loch machten mich etwas nachdenklich. Warum sperren sie mich eigentlich ein, mußte ich immerzu denken, sie brauchen doch die Menschen? Was war denn das für ein Verbrechen mit dem »So?« Es war kalt, langweilig und nutzlos, dieses Zellenschmachten. Wenn ich herauskomme, nahm ich mir vor, dann sage ich ganz einfach, sie sollen mich nur gleich ins Feld schicken. Da brauchen sie sicher die Leute zu anderen Dingen als zum Einsperren.
    Den Tag nach meiner Arrestabbüßung mußte ich das Zimmer der Unteroffiziere herauswischen und ihr Schuhwerk wichsen. Wenn Kameraden vorüberkamen, lachten sie mich verlegen an. Ich lachte auch, aber ich empfand deutlich, daß mich keiner mehr recht mochte. Anderntags in der Frühe um fünf Uhr ging es dann in den Stall. Ich bekam alles, was ich in den drei Tagen versäumt hatte, vom Unteroffizier gezeigt und war schon irgendwie abgesondert. Dumm, dachte ich, dumm, jetzt hat man dich schon im Auge und schanzt dir sicherlich die schlechtesten Arbeiten zu. Aber nach wieder etlichen Tagen war die Aufmerksamkeit des Unteroffiziers schon wieder verebbt, und ich wurde wie jeder andere behandelt.
    Als wir wieder einmal in den Stall kamen und uns im Mittelstall für den Dienst zurecht machten, stieß mich plötzlich einer von den Alten, der anscheinend schon lange Zeit diesen Betrieb kannte, zwinkerte mit dem Auge und sagte: »Komm!« Er nahm mich beim Arm und raunte abermals: »Mensch, sei doch nicht so blödsinnig und plag dich so ab!« Wir standen an der Stiege, die zum Heuboden führte. Der Mittelstall war fast ganz dunkel und diente nur zum An- und Auskleiden. Der Alte machte einen stummen Wink, und ich folgte ihm auf den Heuboden.
    »Du bist doch der, der gleich am ersten Tag ins Loch gesteckt worden ist, nicht?« fragte der Alte, als wir droben allein waren. Ich nickte stumm.
    »Jetzt paß auf«, gab er mir sodann als Anleitung, »der Unteroffizier ist besonders gut auf die Flinken zu sprechen, und wenn du's jetzt geschickt machst, kannst du dich bei ihm wieder rein machen und hast eine gute Nummer bei ihm. Siehst du, da ist das Heuloch. Schreit der Unteroffizier drunten: >Heu runter!< so reißt du schnell den Deckel auf und wirfst die hergerichteten Bündel nacheinander in den Stall hinunter, bis er schreit: > Aufhören !< Dann klappst du den Deckel wieder zu und gehst heute wieder in den Stall. Von morgen ab kannst du es dann jeden Tag so machen und hernach hier heroben schlafen, bis es zum Ausreiten geht.«
    Das begriff ich sehr schnell, und richtig, als es vom Stall herauf rief: »Heu runter!« und meine Kameraden drunten aus ihren Pferdeständen rannten, warf ich bereits die Heubündel hinunter. Drunten stand der erstaunte Unteroffizier und lachte zufrieden, indem er den anderen zurief: »Das laß ich mir gefallen, der hat Schwung und Flinkheit in den Knochen.« Von da ab hatte ich lange eine gute Nummer bei ihm. Aber einmal, als es zur Übung ging, war ich nicht da und wurde entdeckt. Der Unteroffizier sagte zu den anderen: »Ein ganz freches Bürscherl, dieser Kerl!« und behielt mich jetzt stets scharf im Auge.
    Da ich immer noch lachen mußte, wurde ich zu den beißenden und schlagenden Gäulen gesperrt und mußte sie putzen. Ich ging zum Unteroffizier, stand stramm und sagte unschuldig: »Bitte Herrn Unteroffizier, austreten zu dürfen.«
    »Aber schleunigst!« sagte der. Ich rannte hinaus und ging in die Kantine. Auch das kam auf, und von jetzt ab mußte ich jeden Tag nach dem Dienst das Unteroffizierszimmer herauswischen und die ganzen Stiefel der zwanzig Korporale putzen. Nachexerzieren mußte ich, weil ich noch immer lachte, oder nach dem Zimmerwischen in die Küche bis um zwölf Uhr und Kartoffeln schälen. Dort gab es viel zu essen, und ich freundete mich sogleich mit sämtlichen Köchen an, bekam deshalb mittags die größten Portionen und hatte auch dort eine gute Nummer. Beim Reiten bekam ich einen sehr empfindlichen Gaul, der gerne abwarf. Das freute mich. Ich ritt ziemlich gut und bekam beim Reitunterricht nie einen Anrempler. Auch lachte ich jedesmal

Weitere Kostenlose Bücher