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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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heruntergezogen ins alte Haus, um zusammenzuhelfen. Alle ließen die Köpfe hängen und meinten, es würde etwas Furchtbares werden. Meine Mutter hatte ein ruhiges Gesicht, dann falteten sich etliche Furchen auf ihrer Stirn und nicht traurig und nicht freudig sagte sie: »Ja... Ich weiß, wie die Männer Anno siebzig fort sind ... das wird nie nichts Gescheites.« »Was ist denn mit dir?« fragten meine Schwestern.
    »Ich?« ... Die werden mich schon holen. Nachlaufen tu ich ihnen nicht«, sagte ich. Ich mußte mich beim Bürgermeister melden und wurde kurz darauf in München gemustert.
    »Train«, hieß es. Viele im Dorf lachten mich aus. Am 1. Dezember 1914 mußte ich mich in München in der Trainkaserne melden. Wir wurden auf die Gewandkammer geführt, bekamen unsere Uniform, die Stiefel und das sonstige Zubehör. Damit begann's.

XIV SOLDAT

    Es war sehr lustig auf unserer Stube. Wir lagen zu fünfundvierzig mit einem Unteroffizier im Saal. Die ersten Tage verliefen sehr wechselvoll. Endlich, nachdem wir vollkommen eingekleidet waren, kamen wir in den Kasernenhof. Exerzierübungen.
    Unser Unteroffizier war ein kleines, kugelrundes Männchen und dazu noch Ornithologe, d. h., ins Praktische übersetzt, Vogelhändler. Er hatte einen schneidigen Ton, und man lernte gut bei ihm. Aber ich mußte bei der geringsten Gelegenheit lachen, was ihn furchtbar alterieren konnte.
    »Was lachen Sie denn immer?« schrie er mich an. Ich lachte noch mehr, ohne zu wissen, warum.
    »Kommen Sie aus dem Narrenhaus?« bebte die Stimme. Ich mußte noch mehr lachen. Er ließ mich wegtreten. Solange exerziert wurde, stand ich da und sah zu. Manchmal traf mich ein drohender Blick des Korporals, aber ich konnte mir nicht helfen, das Männchen war so drollig in seiner Wut. Es sah, wenn man nur den Kopf betrachtete, wie er immer röter wurde, sich an, wie eine geschwollene, kinderballonähnliche Wurst. Das zerdetschte Käppchen glänzte und saß droben wie aufgeklebt.
    Am andern Tag ging es ans Erlernen von Ehrenbezeichungen. Wir mußten im Gänsemarsch um den Herrn Unteroffizier herummarschieren und ihn - Hand an der Schläfe und den Blick ihm zugewandt - grüßen. Ich lachte schon wieder über die Wurst. Der Korporal schimpfte. Ich lachte lauter. Er fauchte auf mich zu. Ich lachte noch mehr und konnte kaum mehr gerade stehen.
    »Noch mal zurück!« brüllte mein Vorgesetzter. Es half nicht. Immer lachte ich. In der Schule mußten wir einmal einen Satz machen, wo das Wort »prallen« drinnen vorkam. Ich sagte einem Deppen ein: »Kleine, dicke Menschen tut man aufs Brett und prallt man in die Höhe.« Ich stellte mir das damals so vor, wie ungefähr das bekannte Fröscheprallen, das wir manchmal machten. Jetzt, während ich so herummarschierte, brachte ich diese Vorstellung aus der Kinderzeit nicht los. Ich sah die runde Kugel des Unteroffiziers förmlich in die Luft schnellen und auf einmal mit einem Knall platzen.
    Und wieder, wieder, immer wieder mußte ich zurück und, die Hand an der Schläfe, das Gesicht dem Korporal zugewendet, vorbeidefilieren. Mein Lachen verstärkte sich zur Salve. Der Unteroffizier sprang, fauchte, piepste. Da auf einmal brach ich zu Boden vor Lachen, hielt noch immer die Hand an der Schläfe und sah den vollkommen ratlosen, wütenden Unteroffizier an. Alle lachten. Der Unteroffizier zog sein Notizbuch und schrieb mich auf. »Wegtreten!« schrie er.
    Beim Appell wurde ich dem Rittmeister vorgestellt. »Warum lachen Sie denn immer?« fragte der gebieterisch.
    »Verzeihung, Herr Rittmeister, das habe ich schon seit meiner Jugendzeit«, antwortete ich beflissen. Der Rittmeister drohte mit dem Finger und dröhnte mich an: »Warten Sie! Sie mit Ihrem jugendlichen Lachen! Das werden wir Ihnen gleich austreiben im Dunkelarrest.«
    »So«, sagte ich dumm. Da fing der Rittmeister zu brüllen an und schimpfte wahrhaft berserkerisch auf mich ein. Räsonierend sagte er zum Wachtmeister: »Den Kerl wollen wir mal auf drei Tage hinüberschicken! Notieren Sie ihn.«
    Nach dem Appell, als wir die Stiefel und Kleider putzten, kam der Unteroffizier vom Dienst und schrie zur Tür herein: »Graf! Raus da!« Ich lief auf ihn zu. Er sagte, ich müßte die Schürze ablegen und mit ihm gehen. Ich tat es.
    Wir gingen sodann in die Küche. Dort bekam ich zwei Kommißwecken, und dann ging es in die Arrestanstalt hinüber. Der Unteroffizier polterte auf dem ganzen Weg, ob ich denn gar nicht wüßte, wie man sich zu benehmen habe und sagte, ich

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