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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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röchelte wie ein Sterbender. Dreier erhob sich und wankte an die Wasserleitung, ließ seinen Feldbecher vollaufen und schüttete ihn über das Gesicht des Betrunkenen. Der schluckte und zuckte, blieb aber liegen. »Der Sprecher«, keuchte ich heraus und glotzte ins Leere, zog meine Stirn in Falten und riß die Augen plötzlich weit auf, wie um mich zu prüfen. Es ging noch. Alles sah ich noch, Dreier wieder an der Wasserleitung, den Majorsdiener Ginhart am Hahn hängen und den röchelnden Hartig am Boden.
    »Geh weiter, dreh den Hahn zu und laß die zwei liegen, sauf, sauf!« grölte ich Dreier zu.
    »Sauf«, sagte der jetzt wieder am Tisch und machte einen tüchtigen Zug aus dem Feldbecher. Wir schauten uns mit gläsernen Augen an. »Aber sag' mal, wie alt bist du jetzt eigentlich?« rutschte es wieder aus meinem Schnapsrachen.
    »Herrgott, bist du ein verrückter Hund«, stieß Dreier heraus und schüttelte schwer den Kopf, lachte. Hartig erbrach sich, Dreier beugte sich nieder und stieß ihn: »He, du! He, steh doch auf, Mensch!«
    Peperl, der am wenigsten getrunken hatte, stand angstschlotternd da und sagte in einem fort: »Wenn der Major kommt! Wenn der Major kommt!«
    »Herrgott! Herrgott, wie man doch besoffen werden kann«, brummte Dreier. Ich saß wie angeklebt und stöhnte in tiefem Baß: »Sauf, Mensch! Sauf!«
    »Ich geh! Ich geh!« schrie Peperl und verließ die Küche. Auf einmal ging die Türe auf und die beiden Offiziere standen da. Ginhart stöhnte, Hartig übergab sich ein ums andere Mal, Dreier stand schwankend am Herd und glotzte. Ich hatte mich aufgerichtet und torkelte auf den Major zu, fiel ihm haltlos an die Brust und grölte betrunken: »A-ah, sagen Sie mal, Herr Major, wie alt sind's jetzt eigentlich schon?« und rülpste.
    Ein furchtbares Geschrei peitschte auf mich nieder. Der Major stieß mich angeekelt zurück. Dann nahmen mich die zwei Kraftfahrer in die Mitte.
    In der Frühe fand ich mich neben Dreier in meinem Bett in der Kaserne. Verwundert starrten wir uns an. Die zwei Kraftfahrer stritten sehr laut mit dem beinahe weinenden Peperl: »Du hättest es doch wissen müssen! ... Du bist an allem schuld! Du bist der angehende Unteroffizier!« Sie schimpften furchtbar und erzählten uns das Vorgefallene. Peperl brach auf die Bank nieder und stöhnte: »Ich kann immer alles ausbaden, wenn ich auch gar nichts dafür kann!«
    »Sauber, sauber«, sagte Dreier und fing plötzlich zu lachen an. Die Kraftfahrer schnellten empört auf und schimpften auf uns los. Ich lag vollkommen dumm auf meinem Strohsack und sagte gar nichts. Nur, daß wir diesmal feiste Strafen bekämen, leuchtete mir ein.
    »Das wird uns teuer zu stehen kommen«, wetterte der kleine Kraftfahrer drohend, »uns allen, nicht bloß euch allein!« Peperl stand auf einmal auf und sagte fast resolut: »Ich laß mich einfach versetzen. Hier werde ich nie Unteroffizier.« Dann verließ er uns. »Wir sind von jetzt ab alle unten durch, sag ich«, schimpfte der ältere Kraftfahrer in seinem näselnden Wiener Dialekt, »und überhaupt, so was tut man doch einfach nicht, wenn man weiß, daß die anderen Kameraden auch darunter zu leiden haben!«
    Mittags gab es großen Krach, und bei dieser Gelegenheit bezweifelte der Major zum erstenmal meine geistige Zurechnungsfähigkeit, indem er drohend nahe an mich herantrat und sagte: »Das ist ja, als ob sich ein Irrenhäusler ins deutsche Heer eingeschmuggelt hätte. Da haben wir schon den Rechten mitgenommen!« Jeder der Beteiligten bekam ausgerechnet siebenundzwanzig Tage Mittelarrest. Wie das kam, konnte sich keiner erklären. Wegen einer Kleinigkeit erhielt der Diener des Majors noch drei Tage Strengen dazu. Kurz darauf ging es nach Gumbinnen, dann nach Lötzen ins Hauptquartier Hindenburgs, und endlich landeten wir in Marggrabowa, hart an der Grenze. Schon in Gumbinnen hatte sich unser Stab bedeutend erweitert. Preußische Soldaten kamen hinzu, ein Büro wurde eingerichtet, und in Lötzen waren wir bereits siebzehn Mann. Der Adjutant wurde gewechselt, und ein Leutnant aus München mit einem neuen Diener kam an. Der Wiener Kraftfahrer wurde abgelöst, und ein biederer Mannheimer trat an seine Stelle. Es war Sommer. Man konnte baden, und Dreier und ich hatten fast nichts zu tun. Da der Leutnant ganz selten ausritt, sattelte ich mir jeden Morgen seinen Fuchs und durchritt bis Mittag die Gegend. Den Offizieren wich ich möglichst aus. Kam es aber trotzdem vor, daß ich ihnen begegnete, so gab es

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