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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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zeitweiliger Gedanke. Aber wohin denn? Der Krieg kam mir wieder in die Erinnerung. Die Grenzen waren ja zu. Rundherum stand eine Mauer ... So verrannen die Tage.
    Eines Morgens, kurz nach acht Uhr, schrie der Obergehilfe, als er vom Laden herunterkam: »Graf, hinaufgehn sollen Sie!«
    Ein Schreck durchfuhr mich. Alles an mir stockte. Jetzt - die Polizei! durchpeitschte es mich. Ich wankte durch den dunklen Gang, über die rutschigen Treppen hinauf. Im Hausgang stand der Briefbote und übergab mir einen eingeschriebenen Brief vom Amtsgericht Starnberg. Die Logisfrau hatte ihn hergeschickt. Zitternd unterschrieb ich die Bestätigung. Unsicher öffnete ich. Es war der Grundbuchauszug.
    Heiß und kalt überlief es mich. Gedankenlos überflog ich das Papier. Ja, es stimmte, ja!
    Ich rannte hinunter in den dampfenden Backraum und arbeitete fanatisch. Alles war wie weggewischt: Der Doktor Krell, die Polizei, die Furcht, der Ekel, die Beichte und die Kommunion.
    Geld! Geld!! Massenhaft Geld! tobte es unablässig durch mich..
    Noch am selben Mittag lief ich auf mein Zimmer und benachrichtigte den Direktor Hartmann. Der bestellte mich am übernächsten Tag zwischen zwölf und ein Uhr in ein Automaten-Restaurant am Bahnhof.
    »Wie gesagt, Herr Graf«, begann der kleine Mann wieder, »die Sache ist in Ordnung.« Er gab mir das Gerichtspapier zurück: »Ich hab' einen Herrn, der Ihnen das Geld sofort ausbezahlt ... Für die Vermittlung krieg' ich zweihundert Mark vorläufig ... Die weiteren Spesen sind nicht mehr der Rede wert.«
    »Und wann krieg' ich das Geld?« fragte ich gespannt und glotzte den Direktor geistesabwesend an.
    »In zwei oder drei Tagen ... Sobald die Rückfrage nach Starnberg beantwortet ist«, antwortete Hartmann und setzte leger hinzu: »Und wie gesagt, ich krieg' eben vorläufig zweihundert Mark.« Ich wurde hilflos und schnitt ein verlegenes Gesicht. Sofort begriff der Direktor und meinte vertrauenerweckend bieder: »Naja, Sie haben's jetzt nicht? ... Das hat gar nichts auf sich ... Unterschreiben Sie hier ... Die Sache läßt sich ja dann bei der Auszahlung regeln ... Sie sind mir ja gut.«
    Ich war begeistert davon, daß dieser fremde Mensch ausgerechnet mir ein solches Vertrauen entgegenbrachte. Ich wollte dankbar sein. »Ich kann Ihnen ja als Sicherheit meinen Grundbuchauszug geben, Herr Direktor«, sagte ich. Der Mann aber schaute mich an wie der Wolf das Schaf und lächelte überlegen gutmütig.
    »Aber Herr Graf?! ... Da reden wir doch gar nicht! Die Sache regelt sich doch, wenn Sie das Geld kriegen!« meinte er gemütlich und redete unentwegt weiter: »Also wie gesagt, Herr Graf, ich geb' Ihnen sofort Bescheid, wenn's soweit ist, verlassen Sie sich darauf ... Und - und, was ich noch sagen wollte ... Einen Kaffee hab' ich und zwei Kuchen. Das geht natürlich auf Ihre Kosten ... Solche Kleinigkeiten zählen ja weiter nicht ...«
    »Aber natürlich! Selbstverständlich!« erwiderte ich großspurig und bezahlte meine und seine Zeche. Unbedenklich unterschrieb ich das Schriftstück, das er mir hinlegte.
    Hartmann war wirklich zuverlässig. Am dritten Tag kam eine Karte von ihm. Ich ließ mir vom Bäckermeister frei geben und fuhr in die Stadt. Wieder traf ich den Direktor im Bahnhofs-AutomatenRestaurant. Sehr aufgeräumt empfing er mich. Noch ein Herr, mit einem schwarzen Hornzwicker auf der dicken Nase, saß bei ihm und sah mich schnüffelnd an.
    »Darf ich vorstellen - Herr Stahl«, sagte Hartmann und der Dicknasige drückte mir die Hand: »Freut mich.«
    »Also, Herr Graf, die Staatsaktion kann steigen«, rief Hartmann und bezahlte diesmal selbst, »kommen Sie! In einer Stunde ist alles vorbei.« Wir brachen sogleich auf und gingen zu einem Herrn Teilhaber in der Bayerstraße. In der solid-bürgerlichen Wohnung setzten wir uns in lederne Fauteuils um einen runden Tisch. Soviel ich erkennen konnte, waren Teilhaber und Stahl eine Firma. Erst las der eine, dann der andere den Grundbuchauszug. Dann besprachen sie sich miteinander murmelnd. Schließlich wandte sich Teilhaber an mich. »Also, Sie wollen darauf Geld, Herr Graf?« Ich nickte.
    »Ich zahl' Ihnen ausnahmsweise siebzehnhundert Mark ... Sie können's gleich bar haben«, meinte Teilhaber darauf.
    »Siebzehnhundert ...?« fragte ich erstaunt. »Da steht aber doch zweitausend?«
    Herr Stahl mischte sich ein: »Ja, natürlich, Herr Graf! Aber Sie müssen bedenken, wir haben das Risiko ... Verkracht beispielsweise die Frau Ihres verstorbenen Bruders,

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