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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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vom Schutzverband Deutscher Schriftsteller, unterzeichnet von Dr. Krell. Meine Belege lagen bei, und es hieß ungefähr: »Nach Prüfung Ihres Gesuches hat sich der SDS nicht mehr entschließen können, Ihnen eine weitere Unterstützung zukommen zu lassen.«
    Ich besann mich einen Augenblick. Dann atmete ich auf. Das war also auch wieder vorbei. Gut davongekommen, dachte ich, und zerriß den Brief.
    Die Frauen fielen mir wieder ein. Jetzt, wo du so ausstaffiert bist, hast du doch im Nu eine Eroberung gemacht, war meine Ansicht. Ich bestellte Minna Sauer für den darauffolgenden Tag vor das Cafe Arkadia. Wir trafen uns auch richtig, das heißt, wir sahen uns sogleich, aber beide gingen wir lange aneinander vorüber und maßen uns mit freundlichen Blicken. Mitunter lächelte sie ein wenig, und ihre Augen glänzten dann. Ich zitterte und wußte mir nicht zu helfen. Tölpisch tappte ich immer wieder vorüber. Einen heillosen Respekt flößte mir ihr dicker Fuchspelz ein. Darunter lugte ein schneeweißes Spitzenjabot schüchtern hervor. Sie trug ein enganliegendes Kostüm, das ihre Figur auf das vorteilhafteste herausstellte. Außerdem hohe, blinkende Lackknopfstiefel. Mir wurde warm und wohlig. Hingerissen war ich von einer solchen Entdeckung und malte mir in einem fort aus, wie ich mich neben ihr ausnehmen würde. Überhaupt - ein solches Paar!
    Ein diskreter Duft strömte mir entgegen, als ich wieder in ihre Nähe kam. Ich atmete stockend, faßte endlich Mut und trat, den Hut lüftend, vor sie.
    »Verzeihung, sind Sie vielleicht das Fräulein Sauer?« fragte ich klopfenden Herzens.
    »Ja ...? ... Herr Graf?« entgegnete sie mit einer hohen, etwas piepsenden Stimme und lächelte einnehmend. »Ich hätte Sie beinahe nicht erkannt«, stotterte ich unbeholfen. »Ich gehe nämlich schon lange auf und ab.« Verlegen schaute ich sie an.
    »So - jaja, ich sah Sie auch schon immer«, gab sie verbindlich zurück. Der erste Schritt war getan. Jetzt war es, als brächen alle Kanäle in mir auf. Heiß jagte mein Blut durch den Körper.
    »So ... Das ist schön! ... Bitte, ich lade Sie ins Cafe ein! Dort können wir ja reden«, sagte ich schon sicherer, und um meine noch immer nicht geschwundene Verlegenheit schneller loszuwerden, nahm ich rasch den Griff der schweren Kaffeehaustüre und stieß diese auf. Da aber passierte etwas sehr Dummes, das mich wieder völlig verwirrte. Ich wollte sie nämlich vorausgehen lassen und schnell ausweichen, war aber zu langsam. Sie ging gleich hinter mir her, und ich trat sie auf die Füße, ließ vor Schreck den Griff los, und die Türe schlug unsanft gegen uns.
    »O-o!« piepste sie und griff nach ihrem verschobenen Hut.
    »Um Gottes willen! ... So was Dummes!« schnaubte ich und hob rasch meinen heruntergefallenen Hut vom Boden auf: »Verzeihung! ... Entschuldigen Sie!« Ich stand einen Moment ganz dumm da. Sie bemühte sich, ein freundliches Gesicht zu machen, lächelte wieder, trat voraus, und ich trottete hinter ihr drein. Gott sei Dank, sie hatte die Führung übernommen und schritt über die Treppe zur grellbeleuchteten Empore hinauf, wo, meinem Instinkt nach, die besseren Leute saßen. Ich hing meinen Hut auf und wollte meinen Paletot ausziehen. Sie knöpfte ihren Pelz auf, schaute mich etwas merkwürdig an und schien zu warten. Da aber kam schon der Kellner und nahm ihr Pelz und Jackett und mir den Mantel ab. Wir setzten uns endlich in eine der Nischen. Rotbezogene Tischlampen waren da, und der Wein wurde verabreicht. Schon wieder war ich in der größten Verlegenheit. Da ich nämlich seit meiner Jugendzeit die Vorstellung nicht losbringen konnte, ein Gang in ein Hotel, in ein seriöses Weinlokal - überhaupt Wein und Kellnerbedienung -, so etwas koste massenhaft Geld und sei nur für die ganz reichen Leute da, so lugte ich mit nur schlecht verhaltenem Entsetzen auf die mitten auf dem Tisch stehende Preistafel und dachte dabei mit noch größerer Angst an mein mitgenommenes, weniges Geld. Gleich fing ich im geheimen zu rechnen an. Wenn das so angeht, solche Heiratsversuche kosten dir deine letzten Hunderter und notabene hast du womöglich noch nichts davon, surrte es in meinem Hirn. Zwischendurch lächelte ich schon wieder und fragte beinahe jovial: »Na, was wollen Sie jetzt nehmen?«
    Es war mir bereits bedeutend leichter, denn die Preise waren ja gar nicht so unerschwinglich. Hier konnte ja jeder hergehen! Ich besann mich, daß ich doch einen neuen Anzug anhätte und schaute schon ganz

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