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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Adresse angibst«, lispelte ich meinem Freund zu. Er nickte dösig. Man nahm Abschied. Der Zug rollte davon. Lollo und Betty gingen, Selmas Freundin verabschiedete sich. Wir beide standen allein. Sie fragte nach meiner Adresse. Ich wich aus. Sie bat mich wieder, sie zu besuchen. Ich sagte zu.
    »Hm, jaja, der Schorsch ... Mein Gott, hm«, sagte sie immerzu mechanisch und nickte nachdenklich. Das gleiche sagte ich. Es war, als wollte einer dem anderen ausweichen. Am Stachus gingen wir auseinander. »Also kommen Sie bestimmt einmal zu mir«, rief Selma Igl noch aus der Straßenbahn.
    »Jaja«, plapperte ich teilnahmslos. Ich ging rasch weiter, benommen und bedrückt. Es war bitter kalt. Alle hatten mich angesehen, weil ich nicht einmal einen Mantel hatte. Ich knöpfte mißmutig mein dünnes Jackett zu und zog den Kopf ein.
    Es kam mir vor, als sei durch diesen nichtssagenden Zwischenfall mein ganzes bisheriges Leben auseinandergerissen. Wütend war ich auf Schorsch. Ich knirschte und konnte keinen Gedanken fassen. Der Schnee fiel dicht. Die Straßenlaternen verbreiteten ein seltsam gelbes Licht. Die Menschen liefen lautlos vorüber. Alle Stimmen und Geräusche klangen dumpf. Schwerfällig surrte die Trambahn dahin. »Ach was! Es muß einfach das Geld her, dann wird alles anders!« fluchte ich und stapfte weiter. Ich weiß nicht aus welchem Grunde - es befiel mich auf einmal eine Art Rachsucht. Wenn du Geld hast, kannst du jedem, der dir einmal weh getan hat, beikommen! Es geht immer so: Einer gegen Einen! war mein letzter Gedanke, als ich ins kalte Bett stieg.

IV
GELD! GELD! !

    Das Hierherkommen Schorschs hatte mich wirklich arg durcheinander gebracht. Unter allen Umständen wollte ich jetzt endlich ein freies Schriftstellerleben anfangen. Können es die - und damit meinte ich meine Berliner Bekannten - so mußt du es auch können, dachte ich.
    Vor allem schrieb ich einen Brief an Minna Sauer, daß ich leider diesmal verhindert sei, um die angegebene Zeit an der Ecke Goethestraße zu erscheinen, ich würde in den nächsten Tagen Bescheid geben. Eigentlich hatte ich schon wieder keine Lust mehr, denn jetzt nahmen mich andere Dinge in Anspruch. Jeden Morgen, jeden Mittag, jeden Abend erhoffte ich den Grundbuchauszug vom Amtsgericht Starnberg. Er kam und kam nicht.
    »Verweigern kann man das nicht. Sie sind volljährig«, hatte mir Direktor Hartmann gesagt. Ich hoffte deshalb, aber ich zweifelte doch. Immer wieder neue Pläne machte ich, was ich nun mit dem Geld - wenn die ganze Geschichte günstig verlaufe - anfangen wollte. Während der Mittagszeit fuhr ich im staubigen, schmutzigen Mantel in die Stadt und besah mir die Auslagenfenster der Kleiderläden. Dann fing ich zu rechnen an: Das und das brauchst du unbedingt - macht? Hm, ich wurde bereits wieder verwirrt. Das Geld schien doch nicht zu reichen. Ich stellte neue Berechnungen an, teilte die Summe wieder anders ein und erwog, ob ich die Arbeit aufgeben oder beibehalten sollte. Durch solcherlei Erwägungen war ich vollauf beschäftigt.
    Nichts kam von Starnberg. Ich gab schon halb die Hoffnung auf und sann nach neuen Möglichkeiten. Eines Morgens kam mir plötzlich der Gedanke: Du bist doch Schriftsteller und außerdem »junger, aufstrebender und noch dazu kriegsinvalider.« Gewiß, Hobreckers Praxis, sich durchs Leben zu schlagen, war gar nicht so von der Hand zu weisen - aber man mußte sich vor allem an seinen Stand halten. Ich begann nun an alle möglichen literarischen Leute Bittbriefe zu schreiben und siehe da, man verwies mich auf den Schutzverband Deutscher Schriftsteller. Man riet mir kollegial, dort um ein langfristiges Darlehen einzukommen. Sofort verfaßte ich einen jammerseligen, speichelleckerischen Brief und sandte ihn an den Verband. Sechzig Mark kamen. Ich faßte Mut, denn Herr Doktor Kurt Martens, der damalige Vorstand der Münchner Zweigstelle des Schutzverbandes, hatte noch einen persönlichen Brief geschickt, worin er mir riet, mich nochmals ausführlicher an die Unterstützungskasse des Verbandes zu wenden. Die sechzig Mark seien nur eine vorläufige, rasche Hilfe, sicher bekäme ich ein größeres Darlehen. Er werde das befürworten.
    Das war ein Rat! Mir schwoll die Brust: Deutschland sorgt für seine Dichter! Ich sandte also die Eingabe ab. Die Antwort lautete, ich sollte mich in den nächsten Tagen im Sekretariat vorstellen. Diesmal hatte ein Herr Doktor Krell unterschrieben.
    Das Herz fiel mir in die Hosen. Angst und bange wurde mir. Das

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