Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
sie jetzt auch gerne mal russisches Roulette, selbst bei dem One-Night-Stand im Skiurlaub kann sich die emotional und biologisch gereifte Frau nur noch schwer zum Verhüten aufraffen. Sie hat offenbar alle gesunde Spermafurcht verloren. Dieser plötzliche Sinneswandel der weiblichen Libido hat übrigens wenig bis gar nichts mit dem Zustand oder der Existenz einer Beziehung zu tun. Wenn Frauen mal in die Phase von Leichtsinn oder Blindflug eingetreten sind, dann werden sie von Männern schwanger, die sie erst seit drei Wochen kennen, oder von solchen, von denen sie sich eigentlich schon vor Jahren trennen wollten. Und die ganz Verwegenen fahren vier Wochen alleine nach Jamaika.
Fest steht: Will eine Frau ein Kind, dann findet sie meistens schnell einen Weg, es auch zu bekommen. Im Zweifelsfall durch tägliches Anquengeln des Lebensgefährten, bis der seinen Widerstand entnervt aufgibt. Wenn man nun aber in einer so genannten modernen Beziehung lebt, in der wichtige Lebensentscheidungen selbstverständlich immer erst demokratisch diskutiert und auch nur dann umgesetzt werden, wenn die Zustimmung beider Beteiligter vorliegt, taugt dieses Verfahren nachträglich natürlich nicht als rationale, geschweige denn als romantische Erklärung der plötzlichen Schwangerschaft. In der Außendarstellung klingt es deshalb eher so: »Wir haben lange überlegt, unsere Beziehung gewissenhaft auf ihre Belastbarkeit geprüft, die berufliche und die finanzielle Situation realistisch durchkalkuliert und kamen zu dem Schluss, dass jetzt ein guter Zeitpunkt für ein gemeinsames Kind ist.«
Die Wahrheit ist: Sie ist auf einmal besessen von der Idee, Mutter zu werden. Ihre hängenden Mundwinkel und vorwurfsvollen Blicke, wenn wieder ein Monat sinn- und nutzlos verstrichen ist, ohne dass es zu der alles entscheidenden Empfängnis gekommen ist, sprechen Bände. Bald auch hofft der Mann sehnsüchtig nur noch das eine – dass es in diesem Zyklus bitte endlich klappen soll. Nur damit sie wieder bessere Laune hat. Und tatsächlich, kaum sind die ersten Spermien erfolgreich über die Ziellinie geschossen, tönt ihr stolzes »Stellt euch vor, wir sind schwanger« schon durch alle Telefone.
Wer stattdessen hochgezogene Augenbrauen und kritische Fragen fürchten muss, weil er den Erzeuger seiner Leibesfrucht nur flüchtig kennt, redet sich mit einem »Unfall« heraus. Unfälle passieren schließlich laufend, vor allem mit Kondomen. Glaubt man den vielen Schwangeren dieses Landes, dann platzen die Dinger eigentlich unentwegt. Nicht viel mehr Verlass ist anscheinend auch auf medikamentöse Antikonzeptiva, die man zwar selbstverständlich immer regelmäßig genommen hat, die dann aber wohl irgendwie nicht richtig gewirkt haben. Warum, das kann man sich im Nachhinein überhaupt nicht erklären. Ist ja nun auch egal. Denn so oder so ist die werdende Mutter in der Regel sehr zufrieden mit ihrem Vorgehen und ihrem Zustand. Ihr versonnenes mondgesichtiges Dauerlächeln, das die Umwelt fälschlicherweise auf eine Überdosis Hormone zurückführt, heißt in Wirklichkeit: »Ätsch, jetzt hab ich endlich, was ich wollte.«
Jetzt hatte sie also, was sie wollte.
Aber wollte sie auch, was sie da auf einmal hatte? In Auszügen: Übelkeit, Sodbrennen, Wadenkrämpfe, Krampfadern, aufgedunsene Finger und Füße, Fetteinlagerungen an vormals schlanken Körperteilen – und alles nur mühsam kaschiert von beuligen braunen Schwangerschaftshosen, gegen die jeder Jogginganzug mühelos einen Schönheitswettbewerb gewinnen würde. Und wie sollte das alles weitergehen? An Arbeiten war seit Wochen nicht mehr zu denken – wegen Ischias, Nierenstau, vorzeitiger Wehen – und in allen 17 Kindergärten, in denen sie vorstellig geworden war, hatte sie auf die Frage nach einem Betreuungsplatz im nächsten Jahr nur Gelächter – in den Variationen von freundlich bis höhnisch – geerntet.
Abends, in einem circa dreiminütigen Gespräch mit dem Lebensgefährten über das Thema »Abgesehen davon, dass wir ganz tolle Eltern eines ganz tollen Babys werden – wie soll unser Leben konkret aussehen?«, war man sich schnell einig: Mit Kinder- und Erziehungsgeld und dem Geld, das er zusätzlich netto rauskriegen würde, wenn er das Kind ganz auf der Steuerkarte hätte, stünden sie auch nicht viel schlechter da als jetzt.
Er: »Ich würde ja auch zu Hause bleiben, aber von deinem Gehalt allein können wir nun mal nicht leben.«
Sie: »Ein bisschen weiterarbeiten würde ich schon
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