Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
sehr wenig Zeit. So eine Frau hat der kluge Mann vorher noch nie getroffen. Und vor lauter Glück und Schreck wischt er die Lache unaufgefordert auf, kocht neuen Kaffee und bringt ihr eine zweite Tasse an Bett. Aber da – man glaubt es kaum – will sie gar keinen frischen Kaffee mehr, sondern lieber noch mal schnell das andere, was er angeblich genauso gut kann.
Und so gibt es zwischen dem neuen Mann und der allein erziehenden Frau nur Love und Peace. Bis die Sommerferien vorbei sind und die achtjährige Mitbewohnerin der allein erziehenden Frau wieder vom Reiterhof zurück ist. Da hat der neue Mann auf einmal Hausverbot. »Das musst du verstehen. Sie kommt nach zwei Wochen nach Hause und ich setz ihr da einfach irgendwen vor die Nase. Das geht nicht.«
Der neue Mann dachte eigentlich nicht, dass er nur irgendwer sei, und sieht auch nicht recht ein, wieso er offenbar nicht würdig ist, einer Pferdenärrin von Angesicht zu Angesicht begegnen zu dürfen. Aber für den Moment schweigt er höflich. Und mit höflichem Schweigen, das merkt er bald, kann man in dieser Familie eigentlich nichts verkehrt machen.
Zwei Wochen lang ist der Wille der allein erziehenden Frau stark und ihr Hausverbot gültig. Dann wird ihr Fleisch schwach. Und will den neuen Mann zurück. Strategisch plant sie eine erste Annäherung von Mann und Kind im Zoo – auf neutralen Wiesenflächen und unter den Augen von niedlichen Tierchen sozusagen. Das muss doch helfen. Für die Verabredung gilt: ohne Anfassen. Von Frau und Mann natürlich. Die Tochter bringt allerdings überraschend eine Schulfreundin mit und würdigt den mit Prinzenrolle und Lakritzschnecken ausgestatteten Mann, dessen Bekanntschaft sie dort machen soll, keines Blickes. Die allein erziehende Frau versucht noch redlich, ein Gespräch in Gang zu bringen: »Greta, das ist Robert – Robert, das ist meine Tochter Greta. Guck mal, Greta, Robert hat Proviant mitgebracht.«
Greta nimmt sich eine Schnecke – »Was sagt man?«, »Danke« – und vergisst für den Rest des Nachmittags, dass es Robert gibt. Der neue Mann findet den Nachmittag trotzdem gelungen. Wenigstens etwas, denkt die frisch verliebte Frau.
Sechs Tage später macht sie deshalb einen zweiten Anlauf, die Bekanntschaft zwischen Kind und Mann zu stiften. Diesmal ein bisschen direkter. »Du, ich hab Robert für heute Abend zum Essen eingeladen.«
»Welchen Robert?«
»Na, den von neulich, mit dem wir im Tierpark waren.«
»Aha.«
Die Tochter interessiert sich noch immer nicht die Bohne für diesen alten Mann, der weder in Besitz eines Pferdes ist noch selbst Ähnlichkeit mit einem Pferd hat. Das ändert sich schlagartig, als Robert am Abend kommt und der Mama zur Begrüßung ein kleines, kurzes Küsschen auf den Mund zu geben wagt. Da endlich dämmert es im Kopf der Pferdenärrin. Und als der alte Mann am nächsten Morgen immer noch da ist, hat sie es fast kapiert.
In dieser ersten Nacht zu dritt haben die allein erziehende Frau und der neue Mann keinen Sex. Kuscheln ist aber offenbar in Ordnung, solange es leise und unter der Bettdecke stattfindet. Hinterher räuspert sie sich verlegen und befiehlt ihm, die Unterhose wieder anzuziehen. »Wenn Greta uns morgen früh hier so sieht, reicht das schon, da musst du nicht auch noch nackt sein.«
Im Stillen resümiert der neue Mann, dass die allein erziehende Frau offenbar latent verklemmt und ein wenig überbesorgt ist. Weil er aber ansonsten ziemlich wenig an ihr auszusetzen hat, schweigt er auch jetzt wieder, zieht folgsam T-Shirt und Boxershorts an und schläft auf seiner Hälfte der Matratze mit den Händen über der Bettdecke ein. Wer überhaupt nicht schlafen kann, ist die allein erziehende Frau, die ausnahmsweise mal nicht sicher ist, ob sie gerade alles goldrichtig oder völlig verkehrt macht. Weil sie auf diese Frage keine Antwort findet, steht sie gegen fünf Uhr auf, zieht die Schlafzimmertür sorgfältig hinter sich zu und deckt den Frühstückstisch. Gegen 7.30 Uhr gesellt sich die Tochter zu ihr. So beiläufig wie möglich versucht die allein erziehende Frau fallen zu lassen, dass der abendliche Besuch gestern dann doch nicht mehr nach Hause gegangen ist: »Es war schon so spät und wir hatten Wein getrunken, deshalb wollte Robert seinen Wagen lieber stehen lassen.«
Sie ist stolz auf sich, immerhin ist das nicht nur eine so unverfängliche wie plausible Erklärung, sondern auch noch eine pädagogisch wertvolle Botschaft: Man fährt nicht Auto, wenn man
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