Wir sind nicht schwul (German Edition)
nicht mehr einsam sein.“ Im Moment hätte ich mir nichts Beruhigenderes vorstellen können, als neben ihm einzuschlafen. Neben ihm zu sterben.
Um sicher zu gehen, dass ich ja einen Abgang mache, packe ich das Skalpell und schneide meinen Unterarm auf. Das stellt man sich viel leichter vor, als es ist.
In Fleisch zu schneiden und gleichzeitig zu wissen, dass es mein eigenes ist, ist ein extrem widerliches Gefühl. Nah, was solls, mir war sowieso schon grottenschlecht.
Wer erfolgreich sein will muss leiden.
Heißt es nicht so?
Obendrein bin ich ziemlich schnell furchtbar mühe und kann kaum Kraft dazu aufbringen, mir ernsthafte Wunden zuzufügen, von geraden Schnitten ganz abgesehen.
Wie Mikage das zu Stande gebracht hat, ist mir ein Rätsel. Vielleicht hat er sich zuerst den Arm aufgeschlitzt und dann Schlaftabletten und Alkohol geschluckt? Wohl kaum. Vielleicht hat er zuerst den Alkohol getrunken, dann die Tabletten genommen und dann noch schnell ein paar gut angesetzte Schnitte gezogen.
Dann bleibt aber immer noch die Frage, wie er das mit der Schlinge um seinen Hals angestellt hat.
Was ich geschafft habe, reicht mir erst einmal. Die Pulsadern dürften angeschnitten sein, da wunderschönes, warmes und nach Eisen riechendes Blut aus meinen Wunden dringt und sich mit seinem vermengt.
Ich greife nach seiner Hand, die ich vor kurzem noch aus dem Wasser gezogen habe und umschlinge seine Finger mit meinen, bevor ich unsere Hände zusammen zurück in die Waschschüssel lege. Zitternd halte ich seine Hand immer fester und gemeinsam füllen wir das kleine Becken und das Badezimmer mit unserem roten Lebenselixier.
„Bald bin ich bei dir“, säusle ich ihm zu.
Vollkommen zufrieden bette ich meinen Kopf an seine Schulter, genieße ein allerletzes Mal seine wunderbare Nähe und gebe mich der Wirkung der Schlaftabletten hin.
Ich kann noch die Stimmen und Schritte von draußen wahrnehmen. Auch noch, wie mich jemand an der Schulter packt und leicht schüttelt, ebenfalls, wie mich jemand abtastet und an meinem Armen werkt, bevor ich den Boden unter den Füßen verliere und ich Mikages Nähe entzogen werde. Schwächelnd und mit Tränen in den Augen versuche ich mich vergeblich an ihm festzuhalten.
Ich weiß nicht, was er, sie oder alle gesagt hat/haben. Ich weiß auch nicht, wohin ich gebracht werde und wo ich gerade bin und es ist mir auch vollkommen egal, denn ich war schneller.
Ich war schneller als sie!
Ich bin ihnen zuvor gekommen.
Sie werden mir nicht mehr helfen können. Nicht mehr, nachdem ich so viele Tabletten geschluckt und hochprozentigen Alkohol getrunken habe.
Und wenig später brauche ich auch nicht weiter darüber nachzudenken, denn die Welt um mich herum wird schwarz.
Wen interessiert schon, was die anderen noch von einem halten, über einen denken, wenn man bereits tot ist? Die Einzigen, die leiden sind die, die überleben und sie werden wohl nie begreifen, was und vor allem, warum es geschehen ist.
Ich hatte keine Schmerzen.
Wenn man zu sehr damit beschäftigt ist, sein Ding durchzuziehen, dann achtet man auf so minderwertige Kleinigkeiten wie „Schmerzen“ nicht mehr. Auch nicht, wenn es darum geht, so schnell wie möglich Satan persönlich kennen zu lernen.
Viele machen sich kurz vor ihrem Tod wahrscheinlich Gedanken darum, ob sie in den Himmel, oder in die Hölle kommen. Andere interessiert das gar nicht, weil sie nicht mehr zu klaren und logischen Gedankengängen fähig sind und wieder andere denken noch einmal an das zurück, was in ihrem Leben wichtig war für sie, oder was sie am meisten berührt und bewegt hat.
Ich dachte unweigerlich an Mikage und daran, was ich ihm angetan habe. Daran, dass ich seine Gefühle nie wirklich erkannt habe, nie ernst genommen und nie erwidert habe. Daran, dass ich immer im Hinterkopf hatte, dass er das nicht ertragen kann und daran, dass ich ihn schlussendlich getötet habe.
Keine andere Entscheidung wäre besser gewesen, als ihm in den Tod zu folgen. Wenn ich ihm schon zu seinen Lebzeiten so viel Schmerz zugefügt habe, dann will ich ihm wenigstens im Tode zur Seite stehen. Das und noch so viel mehr bin ich ihm schuldig.
An meine Familie, an meine Freunde oder an Yuoi habe ich dabei kein einziges Mal gedacht. Höchstens dann, als ich gehofft habe, dass sie hoffentlich nicht so schnell kommen, um nachzusehen, wieso wir so lange brauchen.
Obwohl es mir so vorkam, als wäre die Zeit wie im Fluge vergangen, war ich keine fünfzehn Minuten in seinem
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