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Wir sind nicht schwul (German Edition)

Wir sind nicht schwul (German Edition)

Titel: Wir sind nicht schwul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eireann Nóc
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und Kanji geschrieben hat.
    Ich lese den Brief nur ein einziges Mal.
    Es ist gar nicht notwendig, alles lesen zu können. Ebenso wenig ist es notwendig, alles zu verstehen. Das Bisschen, das ich verstanden habe, reicht aus, um meine gesamten Gehirnzellen auf einmal grau werden zu lassen.
    Vollkommen abgedriftet lasse ich den Brief fallen und schleppe mich dem rauschenden Sound entgegen, der mir im Eingangsbereich schon aufgefallen war.
    Mit angehaltenem Atem torkle ich gegen jene Tür im Raum, hinter der das Geräusch von plätscherndem Wasser am lautesten zu hören ist und vor allem, vor jener seine Schuhe stehen.
    Die Türklinke springt unter meiner Hand sprichwörtlich davon und drückt sich nach innen auf.
    Ein dicker Schwall heißen Dampfes drängt sich mir entgegen, der diverse penetrante Gerüche an mich heran trägt.
    Es ist nicht einmal nötig, etwas erkennen zu können, wenn man bereits weiß, was einem erwartet und dennoch stiere ich mit starrem, erkaltetem Blick durch die Nebelschwade.
    Eine heisere Stimme dringt durch meinen Kopf und hinterlässt unheilbare Wunden: „Du wusstest es“, bestätigt sie mir und ich weiß … die Stimme hat recht.
    Ich wusste es.
    Der Duft des Sommerwaldes verfliegt.

Ich war schneller als ihr

    B is ich mehr erkennen kann, was lediglich einen Augenblick dauert, bleibe ich wie angewurzelt an der Tür stehen und starre in den Raum.
    Bald kann ich einen Körper erkennen, der aufrecht am Boden sitzt und an die weiße Badewanne lehnt. Sein liebliches Gesicht ist so friedlich, so sanft, so blass, sexy und wunderschön und das, obwohl die Umstände etwas vollkommen anderes vermuten lassen.
    Die Zeit hinweg über, die ich an seinem Gesicht hängen bleibe, kommt mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Vielleicht, weil ich gen Ende doch zu geschockt bin, vielleicht aber auch nur, weil meinen Körper eine Eiseskälte durchdringt, die mich geradezu paralysiert.
    Die Nässe an meinen Füßen, die meine Socken durstig aufsaugen, reißt mich aus meiner Starre und lenkt meinen Blick zum Waschbecken, das sich zu seiner Rechten befindet.
    Der Spiegelschrank steht offen. Zahnpasta verklebt das spärliche Innenleben, das aus Rasierschaum, Rasierer, Haarspraydosen, Make-up und Abschminkartikeln besteht.
    Das Wasser im Waschbecken läuft vermutlich schon seit geraumer Zeit über. Damit das Wasser nicht ablaufen kann, hat er mit einem dicken Klebeband den Abfluss zugeklebt. Den Ausfluss der Badewanne dürfte er ebenfalls abgedeckt haben, denn hinter ihm schwappt immerzu Wasser über den Badewannenrand. Die betätigte und aufgehängte Duschvorrichtung sorgt für den Regenähnlichen Klang im Raum. – Zumindest nehme ich das an, da sein blauer Badewannenvorhang mit Wolkenaufdruck die Sicht versperrt.
    Je länger ich die Tür zum Bad offen lasse, desto klarer wird die Luft im Raum und dennoch, so sehr ich mich auch darauf konzentriere, kann ich keinen Sommerwald riechen.
    Mein Blick wird auf den Boden gelenkt, allein schon, um nicht sofort wieder zu Mikage sehen zu müssen.
    Lange, schwarze und blonde Haare schwimmen auf dem Boden hin und her und bewegen sich Richtung Tür, die die Wassermassen bis jetzt zurückgehalten hat.
    Nicht nur Haare, die definitiv von seinem Kopf stammen, treiben auf und ab, sondern auch Seifenschaum, Zahnpastastreifen, Rasierschaum, Klopapier, Blut und Glasscherben kann ich durch die Wasserlake schimmern sehen. Wieso er sich die Haare abrasiert hat, ist mir ein Rätsel.
    Kann mir bitte jemand erklären, wie man es als Normalsterblicher fertig bringen soll, das zu verstehen? – So etwas zu verarbeiten, ohne bleibende Schäden davon zu tragen?
    Wenn das doch wenigstens schon alles gewesen wäre.
    Wenn es doch nur bei dem geblieben wäre, was ich bisher bewusst wahrgenommen habe.
    Das alles wäre okay gewesen, wenn er es mir später erklärt hätte. Egal, was er für eine Erklärung parat gehabt hätte, ich hätte sie geschluckt und das Beste daraus gemacht.
    Doch dazu würde es nicht kommen.
    So ruhig, sanft und wunderschön sein ruhendes Gesicht auch aussehen mag, so furchtbar ist das, was sich unterhalb seines lieblichen Antlitzes abspielt.
    Ein dicker Strang ist eng um seinen Hals gewickelt, verknotet, oben an der Duschvorhang Vorrichtung angebracht und stramm gezogen worden.
    Mich würde es nicht wundern, wenn das Seil einen Ton von sich gegeben hätte, würde ich mit einem Finger daran zupfen. Nah, wie wäre es? Spielen wir zusammen das Lied vom Tod?
    Mikage trägt kein

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