Wir sind nicht schwul (German Edition)
zurückhalten kann.
Geschockt von meiner Fähigkeit, nichts richtig machen zu können, würde ich am liebsten losschreien, kreischen und wild um mich schlagen. Aber der fette Klos in meiner Kehle und meine steifgefrorenen Gliedmaßen lassen mich vollkommen im Stich.
Vergeblich schluchzend und Rotz und Wasser heulend, breche ich vor ihm auf die Knie zusammen und kralle meine Nägel hilflos in seine lebelosen Beine.
Wie ein Haufen Elend hänge ich an den Überresten einer Person, die mich von allen am meisten geliebt hat und dessen einziges Unglück es war, dass ich zu wenig an seiner Seite sein konnte, um das endlich zu erkennen.
Lange halte ich es nicht aus, nichts tuend an ihm zu kleben. Ich kann ihn unmöglich so lassen, wie er jetzt gerade ist. Ich kann die gesamte Situation nicht so sein lassen!
Und dann rollt eine bittere Erkenntnis über mich hinweg, wie ein Tsunami ungehindert über flaches, kahles Land, um auch das letzte bisschen zu töten, was vom Erdbeben noch übrig geblieben ist.
Ich hebe leicht den Kopf an und starre auf das, was er auf seinem Schoß verstreut hat. Zitternd und Wasserfälle heulend grapsche ich danach und halte es nah an meine Augen, um zu sehen, was das eigentlich ist.
Es sind Tabletten. Das ist zumindest einmal eindeutig.
Die eine Packung ist leer. Ich nehme an, dass sie noch voll war, bevor er sich an ihr vergriffen hat. Die andere Packung hat er angefangen. Der Großteil des Inhalts ist noch da. Ob er es nicht mehr geschafft hat, auch die zweite Packung zu schlucken?
Außer den Tabletten sind da noch das Skalpell und die Flasche, die jetzt am Boden liegt.
Zitternd und mit angehaltenem Atem reiße ich den Blick von diesen nützlichen Utensilien los und starre ihm auf die geschlossenen Augen, die einst so viel Liebe und Wärme ausgestrahlt haben.
Ich muss nicht lange überlegen, um zu entscheiden, was zu tun ist.
Um zu wissen, was ich tun muss .
Schluchzend und schniefend ziehe ich mich ihm mühselig auf meinen zitternden Händen entgegen, um ihm sanft einen Kuss auf die kalten, leblosen Lippen zu hauchen, die schon blau angelaufen sind.
Keine Reaktion.
Nur, dass ich dieses Mal mit keiner Reaktion mehr gerechnet habe. Ich wollte ihm nur noch ein letztes Mal wirklich richtig Nahe sein.
„Es tut mir so unendlich leid, Mikage. So Leid … so unglaublich leid. Ich schwöre dir bei den Göttern, dass ich das gut machen werde, hörst du? Ja? Wie konnte ich dir das nur antun? Ich … ich liebe dich doch! Mikage … Migake …“ Sicher rede ich mehr mit mir, als mit ihm. Hätte ich es nicht selbst gesagt, hätte ich wahrscheinlich nicht verstanden, was ich da von mir gegeben habe, so sehr zittert meine Stimme.
Tapfer schniefend ziehe ich den Rotz hoch und wische mir mit dem Handrücken über Nase, Augen und Wange.
Fingernd pule ich an der Medikamentenschachtel herum. „Schlaftabletten“, entnehme ich der Vorderseite der Verpackung.
Ideal!
Wer jetzt noch überlegt, hat schon verloren.
Ich überlege nicht und schlucke alles, was ich noch finden kann, ohne unnötig mitzuzählen. Das hätte lediglich Zeit gefressen.
Und Zeit habe ich keine mehr, denn die anderen könnten jederzeit nach mir und Mikage sehen kommen.
Ein Risiko, das ich auf keinen Fall eingehen kann.
Ich muss schneller sein als sie.
Die Flasche die am Boden liegt ist nicht zur Gänze ausgeronnen. Den letzten Rest, der sich darin befindet, schütte ich mir ohne zu zögern die Kehle runter. Es ist nicht viel. Zu meinem Glück steht eine weitere Flasche im Raum. Wie es scheint, hat er gut vorgesorgt.
Nicht nur J-Rocker, sondern auch Stars auf der ganzen Welt wissen oft nur zu gut, wie wunderbar sich Schlaftabletten mit Alkohol vertragen. Diese Kombination kann man mit einer tödlichen Garantie genießen. Man bekommt sicherlich immer, was man sich davon erhofft.
In der zweiten Flasche befindet sich ebenfalls hochprozentiger Whisky. Die Flasche ist schon offen, was mir natürlich viel an Arbeit erspart. Ich schaffe es nicht, alles zu schlucken. Ich habe noch nie zuvor etwas so derart widerliches getrunken! Total angeekelt von dem Gesöff in meiner Hand, quäle ich mich dazu, noch ein bisschen mehr und mehr zu trinken. Bei der halben Flasche ist Schluss, sonst kotze ich wieder alles aus.
Wackelig und total dizzy, plumpse ich neben Mikage und kuschle mich an ihn, tief seinen imaginären, aber unwiderstehlich guten Duft einatmend. „Bald bist du nicht mehr alleine, Mikage-chan. Hörst du? Bald musst du
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