Wir sind nicht schwul (German Edition)
zu, dass es mir Spaß macht, mit ihnen zu spielen. Wirkliches Interesse hatte ich aber an noch niemandem. Die meisten sind es gar nicht wert, dass man sich länger mit ihnen befasst und gen Ende sind sie sowieso alle nur an meinem Erfolg interessiert und nicht an meiner Person direkt. Da geschieht es ihnen nur recht, dass auch ich sie mies behandle. Geht mir einer schon zu sehr auf den Sack, sage ich den Weibchen einfach, ich wäre eine Frau und den Kerlen, ich wäre ein Mann. Beides wäre schließlich möglich. In letzter Zeit hält das jedoch immer weniger Frauen und Männer davon ab, mir aus dem Weg zu gehen und so ignoriere ich jene Personen einfach so lange, bis sie mich endlich, wenn auch beleidigt, in Ruhe lassen.
Seufzend packe ich meine Schminkutensilien ein und werde sie später in meinem Geigenkoffer verstauen. Mein eigentlicher Koffer platzt nämlich schon aus allen Nähten. Ich hatte das Fassungsvermögen des Koffers meiner Kaasan wohl vollkommen überschätzt. Ich hoffe, er überlebt die abartig lange Reise nach Tokyo. Ich kann die Luftlöcher im Flugzeug jetzt schon schmecken, oder wohl eher die Kotzbröckchen, die dabei versuchen, meinem Mund einen Besuch abzustatten.
Geschmeidig öffne ich die Badezimmertür und starre dabei in das genervte Gesicht meines Bruders, der sich grunzend an mir vorbei drängt und in meiner Nase einen stechenden Schweißgestank hinterlässt. „Tu mir den Gefallen und lass dir beim Duschen mindestens genauso viel Zeit, wie ich“, bitte ich ihn grinsend und lausche dem wohligen Klang der Tür, die krachend hinter mir ins Schloss der Badezimmertür fällt.
Immer noch breit grinsend schleife ich meinen Koffer die Treppe hinunter, wo mir mein zweiter, ebenfalls jüngerer Bruder entgegen kommt. „Morgen, Finn! Yo, schon alles klar, Mann?“ Er mustert mich breit lächelnd von oben bis unten. Ich kann mir gewiss sein, dass er absolut geil findet, was ich vorhabe und er garantiert meinen Weg in Japan auf YouTube verfolgen wird.
„Ja. Bin ziemlich nervös. Ist Oma schon da?“, frage ich ihn.
„Jopp. In der Küche“, antwortet er mir vergnügt und drängt sich an mir vorbei. „Bis später.“
„Danke.“ Ich gehe in die Küche und schließe dort meine Oma in die Arme.
„Lin!“, grüßt sie mich stürmisch und drückt mich dicht an ihren weichen Oma-Leib. Auch wenn sie meinen Namen immer noch nicht richtig aussprechen kann, erwidere ich glücklich ihre Umarmung und freue mich über die weißen Lilien, die sie mir mitgebracht hat, um mir ein weiteres Mal zu beweisen, dass sie mich genau so liebt, wie ich bin.
Ich verabschiede mich wenig später nur noch schnell von meiner Kaasan, meinem Vater und meinen Brüdern, ehe mich Oma zu Chris bringt, um ihn abzuholen. Keine Stunde später hetzen wir zum Gate und verpassen ums Arschlecken unseren Flug.
…
A-hahaha! – Das wäre ja noch schöner gewesen!
Der Flughafen war zwar abartiger Weise komplett von Menschen zugestopft, aber wir haben unseren Flieger gerade noch erwischt.
„Ich wäre Amok gelaufen, hätten wir es nicht mehr rechtzeitig geschafft.“ Chris lässt sich tief seufzend in seinen Sessel fallen und schnallt sich an.
„Das hätte ich gerne gesehen“, grinse ich und nehme neben ihm Platz.
„Das hättest du“, gibt er amüsiert zurück.
Ich habe Chris die Tickets bezahlt, damit ich nicht alleine nach Japan fliegen muss. Er hat vor, so lange zu bleiben, bis ich einer Band zugeteilt werde. Nach der Landung sieht der Tagesablauf so aus, dass wir ins Hotel rennen, unsere Sachen abwerfen, zum Radioturm in Tokyo stürzen, Vorspielen und anschließend an Bandvorstellungen teilnehmen. Wenn ich Glück habe, werde ich noch am gleichen Tag jemanden zugeteilt, wenn nicht … Länger als eine Woche wird Chris jedoch nicht bleiben können.
„Versuch‘ etwas zu schlafen. Die nächsten Tage werden wahnsinnig anstrengend“, erinnert er mich liebevoll und deckt mich zu.
„Weiß ich selbst und lass das!“ Ich wehre mich murrend, immerhin bin ich schon alt genug, mich selbst zuzudecken.
Chris sieht mich anschließend eine Weile schweigend an, bis er mich etwas besorgt fragt: „Und was, wenn sie dahinter kommen?“
„Sie kommen nicht dahinter. In Österreich sind sie ja genauso blind. Wieso sollten die Leute in Japan anders sein?“, frage ich ihn augenrollend.
Chris zuckt leicht mit den Schultern. „Ich mache mir einfach Sorgen. Nicht auszudenken, wie ich mit dem Gedanken soll, dass meinem Liebsten,
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