Wir sind nicht schwul (German Edition)
uns Wasser mit einem Wasserkocher und machen uns damit Instant-Ramen. Schlürfend sitzen wir in unserem Zimmer und suchen für Chris einen Flug im Internet, der ihn schon in der Früh zurück nach Österreich bringen kann. Mithilfe des Rezeptionisten gelangen wir auch wenig später an die Tickets und können entspannt zu Bett gehen.
„Ich schlafe auf dem Sessel“, lässt mich Chris mit einem Unterton in der Stimme wissen, der keine Widerrede duldet.
„Mit dir lässt es sich echt nicht gut streiten. Das Bett ist groß genug. Du kannst genauso gut hier schlafen.“ Ich lege mich auf das Bett und zeige ihm, wie viel Platz neben mir noch frei ist. Trotzig ignoriert er mich und breitet seine Decke auf dem Couchsessel aus, nachdem er sich bettfertig gemacht hat.
„Ich hoffe, dass sie dich aufnehmen … und gut behandeln. Bist du dir sicher, dass ich schon fahren soll?“ Er klopft seinen Polster fluffig und deckt sich zu.
„Ja, keine Sorge“, versichere ich ihm und kuschle mich dann ebenfalls in meine Decke.
„Finn?“
„Ja?“
„Vergiss nicht, dich bei mir zu melden.“
„Natürlich nicht.“
…
„Finn?“
„Hm?“, frage ich verschlafen.
„Ich hab dich wirklich sehr lieb“, lässt er mich nach einer halben Ewigkeit des Schweigens wissen, doch da schlafe ich bereits.
Kerle(?) einmal anders
D ie Säulen stehen schon früher an der Tür, als eigentlich abgemacht war. Sie begleiten mich und Chris zum Flughafen. Der Flieger ist pünktlich. Oh Wunder, oh Wunder!
Um nicht zu viel Aufsehen zu erregen, beschränken wir uns darauf, die Fäuste nicht ganz schmerzfrei aufeinander krachen zu lassen und tauschen zum Schluss noch ein paar nette Worte aus. Ein letztes Mal verspreche ich ihm noch, dass ich mich melden werde, ehe er mich mit einem unsicheren Lächeln auf den Lippen zurück lässt.
Ein Handy habe ich bereits und wenn ich Glück habe, auch bald einen Tarif, den ich verwenden kann, damit ich zumindest einmal im Monat zu Hause anrufen kann, obwohl ich mir sicher bin, dass Briefe ausreichend sind. Es würde zwar niemand auf die Briefe antworten können, aber ehrlich gesagt will ich sowieso nicht, dass mir meine Familie sogar hier am Ende der Welt in die Quere kommt. Auch Chris oder Hazel nicht.
Hätte ich gewusst, dass ich ihn heute zum letzten Mal gesehen habe, hätte ich mich garantiert anders von ihm verabschiedet.
Wir warten nicht, bis der Flieger startet, sondern fahren gleich zu dem Gebäude, in dem die Band ihre Lieder aufnehmen darf. Sie sind nicht die Einzigen, die dort herumwerken, wie ich erfahre. Da tummelt sich alles herum, was nicht genügend verdient, um sich eine eigene Wohnung leisten zu können, um dort ihr Unwesen zu treiben.
Während wir durch die große, weißgestrichene Bude gehen, versucht mir eine der Säulen die Namen der Bandmitglieder ins Gehirn einzubrennen, damit ich dort nicht wie ein Depp dastehe. Das Haus ist jedoch wesentlich interessanter als ihr Geschwafel, von dem ich nicht einmal alles verstehe.
Es sieht tatsächlich so aus, wie in einer Schule. Zu meiner Linken unzählige Fenster und zu meiner Rechten unzählige Türen. Man hört nur sehr leise etwas durch die Türen hindurch dringen. Sie sind offensichtlich sehr dicht, das muss ich schon sagen. Kein Wunder, dass so manche Bands die Chance nützen, hier ihre Proben abhalten und ihre Lieder zusammenschneiden.
Neben den vielen Türen, an denen wir vorbei gehen, passieren wir auch noch die eine oder andere Person.
Die Leute hier im Gebäude sind ganz anders, als die auf der Straße. Unheimlich, aber hier grüßt jeder den anderen sehr freundlich.
Freundschaftlich.
Familiär.
Genau genommen: Mit einem schlichten Nicken, oft kombiniert mit einem zögerlichen Winken.
Das, was eigentlich dafür sorgen sollte, dass ich mich wohl fühle, sorgt eher dafür, dass sich ein gewisses Unbehagen in meiner Magenregion breit macht. Solange es nicht wieder ausgekotzt werden will, ist das akzeptabel.
Was, wenn ich nie wirklich dazu gehören werde. Unabhängig davon, dass ich sowieso nur drei Monate hier herumeiern werde? Jetzt, wo Chris weg ist, fühle ich mich ein wenig ausgelutscht und hilfloser.
Nun ist niemand mehr hier, mit dem ich Deutsch sprechen kann. Englisch wird wohl auch nicht so der Fall sein. Japanisch ist zwar schön und gut, aber was, wenn ich dadurch meine eigene Sprache verlerne?
Was für Gedanken man sich doch machen kann, obwohl man sich eigentlich auf ein Treffen konzentrieren sollte.
Apropos
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