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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erzählt sich, daß er sich in das Fell eines Leoparden kleide und seinen Feinden mit Krallen das Fleisch vom lebenden Körper reiße. Am Oberlauf des Rio Padavida habe man einen Priester gefunden, dem die Kutte und das Käppi mit giftigen Dornen ins Fleisch und in die Kopfhaut gespießt worden waren. Indianer, die einem der freundlicheren Stämme angehörten, berichteten, daß Sapolàna durch den ganzen Urwald eine Botschaft geschickt habe: Kampf den weißen Eindringlingen! In Zapuare waren alle sehr froh, daß die Haupthandelszeit vorüber war und sie sich ein paar Monate lang erholen konnten, ehe die Jagd nach Orchideensamen und wertvollen Hölzern die Menschen ohne Moral wieder in die Wirrnisse der Lianen und Sümpfe trieb.
    Peter Perthes und Dr. Cartogeno saßen auf zwei Kisten beieinander und tranken Mate. Der kolumbianische Arzt wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Eine blöde Hitze!« stöhnte er. »Sie haben sich mit dem November den dümmsten Monat ausgesucht, Kollege Perthes. Bei Ihnen in Deutschland fällt jetzt schon Schnee. Ich habe es in den Illustrierten gesehen. In den Alpen, meldete man eineinhalb Meter Schnee! Und während Ihre Landsleute in dicken Pelzen herumlaufen, beginnt bei uns die Treibhaushitze. Prost!«
    Er stand von seiner Kiste auf und ging zu dem Mikroskop, das am Fenster stand. Ein feinmaschiges Netz schützte in der Fensteröffnung vor Moskitos und Fliegen. »Das ist also Ihre Kanone – und mit der wollen Sie die Menschheit retten?«
    Peter Perthes lachte und trat an die Seite des Gefährten. Er drehte ein wenig an dem Okular des Mikroskops und nickte dann Fernando Cartogeno zu. »Blicken Sie einmal hinein! Ich habe gestern am Rio Maneciare einen toten Tapir seziert.«
    »Erinnern Sie mich nicht daran!« Dr. Cartogeno verzog den Mund vor Ekel. »Das Vieh stank drei Kilometer gegen den Wind! War mindestens schon sechs Tage tot. Ich bewundere Ihre Nerven, an diesem Aas herumzuschnippeln!«
    »Es lohnt sich, verehrter Herr Kollege.« Perthes deutete noch einmal auf das Mikroskop. »Sehen Sie hindurch! Sie erkennen genau in einer hellen Flüssigkeit, dem zersetzten Tapirblut, eine Ansammlung von kleinen, sternförmigen Kristallen.«
    Dr. Cartogeno nickte, als er sich über das Okular gebeugt hatte, und war nun auch interessiert. »Diese Kristalle«, erklärte er eifrig, »stammen aus einem Pfeilgift, das uns noch unbekannt ist. Der Tapir wurde von dem Giftpfeil eines Indianers aus einem Blasrohr getroffen, aber aus irgendeinem Grund wurde der Indianer daran gehindert, seine Beute in den Wald zu ziehen. Daß die Indianer die Tiere mit Pfeilgift erlegen, beweist uns, daß …«
    Peter Perthes winkte ab. »… daß das Gift im Magen unschädlich ist oder durch Erhitzung seine Wirksamkeit verliert, das meinten Sie doch? Es ist nur tödlich in der Blutbahn. Das ist eine alte Weisheit und eine Eigenschaft, die auch das Curare hat.«
    »Curare kennen wir, aber dieses Gift ist ein unbekanntes. Es ist ein Alkaloid von geradezu verblüffender Bestimmbarkeit im Blut. – Der erste Erfolg, Herr Kollege!«
    Dr. Cartogeno schob das Mikroskop zur Seite und setzte sich an den Klapptisch. »Aber – was haben wir davon? Wir sehen das Gift, und wir kennen seine Wirkung nicht.«
    »Ich werde mit dem infizierten Blut meine Ratten impfen.«
    »Und das Gegenmittel?«
    »Um das zu finden, sind wir hier!« Dr. Perthes schob einen Nährboden mit dem Tapirblut in den Blutschrank. »Ich habe vor, morgen unsere erste Reise in das Innere zu starten.«
    »Prost Mahlzeit!« Dr. Cartogeno sprang auf. »Ich besitze als einzige Verwandte zwar nur eine alte Tante, aber dann möchte ich doch heute abend noch mein Testament machen.« Peter Perthes lachte und nahm seinen Gürtel mit der Pistole von einem Wandhaken. Er schnallte ihn um und griff nach dem weißen Tropenhelm. »Kommen Sie mit?« fragte er. »Ich will mir aus unserer Flottille drei schöne, schnelle und stabile Boote aussuchen. Beim Morgengrauen brechen wir auf. Wir fahren zuerst, dachte ich mir, den Rio Guaviare hinab bis Sitio, dann hinein in den Rio Inirida bis zum Höhenzug von Raudal Alto, und dann querab den Cuno Nacuri hinauf. Dort machen wir Station …«
    »… und suchen uns unsere Gräber aus.« Dr. Cartogeno schüttelte den Kopf. »Ich habe es mir in den wenigen Wochen des Zusammenseins mit Ihnen abgewöhnt, mich über Sie zu wundern. Erst dachte ich, Sie seien ein Phantast, dann hielt ich Sie für ungeheuer mutig. Jetzt weiß ich, daß Sie

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