Wir sind nur Menschen
Gesellen, Trinker und Glückssucher, die in den unerforschten Urwäldern von Guaipu Navo bis hinunter zum Rio Negro Orchideen sammeln, wertvolle Hölzer schlagen, Tiere mit seltenen Pelzen jagen und in dem Traum leben, einmal inmitten des dumpfen, faulenden Urwaldes die geheimnisvolle Stadt eines versunkenen Stammes zu finden, Schätze, Gold und Edelsteine, wie sie die Tempel der Mayas auf Yukatan und die Höhlen der Azteken bargen.
Die Menschen in dieser aus dem Wald geschlagenen Siedlung an einem Fluß, in dem es von Alligatoren und Mörderfischen wimmelt, leben in einem steten Wechsel von Trübsinn und überschäumender Lust. Wenn sie in den ›Bars‹, den großen Blockhütten, hocken und widerlich scharfen, süßen Schnaps in sich hineinschütten, ist das Ganze ein Irrenhaus von bärtigen, entwurzelten Existenzen, denen das Leben in den Tropen keine andere Wahl mehr ließ, als auf diese menschenunwürdige Weise zugrunde zu gehen.
Ab und zu kommt von Villavicencio, der Kreisstadt, ein Inspektor der Staatspolizei nach Zapuare, um nach dem Rechten zu sehen. Dann gibt es zur Abwechslung eine kleine Schießerei, und die Leute von Zapuare erfahren zu ihrem Erstaunen, daß der gute Jim und der trinkfeste Johnny, die immer so nett zu allen waren, zwei von sechs Staaten der USA gesuchte Schwerverbrecher sind.
Das Klima ist heiß, feucht und schwül. Das Hemd klebt einem auf dem schwitzenden Körper fest, das Atmen ist Schwerarbeit, und jede weitere Anstrengung legt sich wie eine Eisenfaust auf die Brust.
Am Stadtrand von Zapuare, inmitten eines Gartens aus Gummibäumen und wilden Bananen, liegt ein Holzhaus mit einem Bootssteg hinunter zum Rio Guaviare. Unter den Gummibäumen stehen runde, weiße Zelte, einige Klapptische und verschiedene große Kartentafeln, die in Einzeldarstellungen die Gebiete von Piapoco bis Macueni und Guahibo an der bolivianischen Grenze zeigen. An einem Fahnenmast aus weißgestrichenem Holz hängt schlaff die Fahne der Bundesrepublik. An dem Holztor ist ein kleines Schild befestigt: ›Expedition Dr. Perthes‹.
In dem Innern des Holzhauses, das nur einen großen Raum und an Möbeln zwei Feldbetten mit großen Moskitonetzen, einen Berg Kisten, drei aneinandergeschobene Klapptische mit Mikroskopen, Retorten, Spirituskochern und Reagenzgläsern sowie einen Brutschrank für Nährböden und kleine, unterteilige Käfige mit Meerschweinchen und widerlich großen Ratten aufweist, saß Peter Perthes auf einer der Kisten. Ihm gegenüber, gleichfalls auf einer Kiste, saß ein stämmiger, braungebrannter Mann mit schwarzen Locken. Sie tranken aus falschen Tassen Mate, das Nationalgetränk der Südamerikaner. Ein Boy wirtschaftete in einer Ecke, die durch den Speiseschrank den Anschein einer Küche erhielt.
Der Mann bei Dr. Perthes war Dr. Fernando Cartogeno, ein kolumbianischer Arzt. Sie hatten sich auf merkwürdige Art kennengelernt. Pünktlich war Peter Perthes in Buenaventura angekommen und wurde dort von den Herren des Direktor von Barthey in Empfang genommen. Auf einer schrecklich langweiligen Bahnfahrt durch die Kordilleren brachte man ihn nach Bogota und begann in der Hauptstadt, die Expedition aufzubauen. Dr. Perthes besuchte den kolumbianischen Gesundheitsminister, der bei seinem Plan den Kopf schüttelte und meinte: »Um das Gift zu bekämpfen, müßten Sie ganz Südamerika in Flammen aufgehen lassen«, aber ihm wohlwollend jegliche Unterstützung seitens der Regierung, Nachschub mit Hubschraubern, falls Perthes auf einer Exkursion in den Urwald festhing und nicht mehr zurück konnte, versprach.
Dann besichtigte Peter Perthes die staatlichen Krankenhäuser, moderne Bauten nach amerikanischem Vorbild, weit, hell, luftig – aber mit dem großen Nachteil behaftet, von Ärzten geleitet zu werden, die nicht im entferntesten an die medizinischen Kenntnisse ihrer europäischen Kollegen heranreichten. Sie waren sämtlich auf Tropenmedizin spezialisiert und standen allen Krankheiten, die über diese Kenntnisse hinausgingen, ziemlich hilflos gegenüber. Im Garten einer der Kliniken traf Peter Perthes dann auf diesen Dr. Cartogeno. Er hielt den Deutschen an, stellte sich vor und sagte:
»Ich höre, daß Sie in die Wälder an der kolumbianischen Grenze wollen, um toxikologische Forschungen zu betreiben. Ich halte das für verrückt.«
»Ihre Meinung ehrt mich«, antwortete Dr. Perthes schlagfertig. »Aber es muß auf der Welt auch Verrückte geben, sonst wäre sie zu langweilig.«
So kam man ins
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