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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schmierten. Dr. Cartogeno ließ sie gewähren. Er zog eine Spritze mit dem unerprobten Serum auf, das Sapolàna gerettet hatte, und injizierte zehn Kubikzentimeter, den Rest des Serums, in Peters Blutbahn. Damit war sein Wissen erschöpft.
    Den ganzen Tag und die folgende Nacht saß der Kolumbianer neben dem Deutschen im Zelt. Die Petroleumlampe blakte trübe. Draußen, um das Zelt herum, saßen an den Feuern die Taràpas und sangen leise ihre alten Sterbegesänge. Perthes' Gesicht fiel ein, auf der Haut zeigten sich braune Flecken, der Atem wurde rasselnd, Fieber schüttelte den Körper.
    Dr. Cartogeno saß neben ihm und hielt die Hände gefaltet und versuchte zu beten. Zum erstenmal wieder nach sechzehn Jahren … Er wußte keinen Rat mehr, er rief Gott um Hilfe an. Die Macht der Menschen war erschöpft. Konnte die Macht des Himmels noch helfen?
    In der Nacht wurde Perthes unruhig. Phantasierend warf er sich hin und her. Sein Schweiß roch schon faulig. Seine Lippen wurden ganz trocken, sprangen auf und bluteten. Die Haut zwischen den Fingern verfärbte sich schwarz. Das Gift! Mit knirschenden Zähnen saß Cartogeno vor dem Sterbenden. Seine Ohnmacht brachte ihn dem Wahnsinn nahe. Er stirbt, und keiner kann ihm helfen, dachte er immer wieder. Den kleinen, lächerlich kleinen Biß einer Spinne können wir nicht heilen! Der Mensch, der große Mensch, der Beherrscher der Welt, er stirbt am Biß eines niederen Gliederfüßers! Das ist lächerlich, gemein … Er drückte den Phantasierenden zurück auf das Kissen und tropfte ihm scharfen Cognac zwischen die blutenden Lippen.
    Der Körper bäumte sich auf. Die Augen waren starr, gläsern, wie bei einer Wachspuppe. Röchelnd ging der Atem. Die Backenknochen stachen durch die Haut. Der nackte Leib wurde streifig und gelb. Das Gift!
    Die Nacht ging nur langsam vorüber. Cartogeno flößte Peter noch ein Mittel gegen das Fieber ein, obgleich er wußte, daß es sinnlos war. Aber er wollte nicht tatenlos bei dem Sterbenden sitzen. Alles in ihm schrie auf gegen das unerbittliche Schicksal, dem er hier gegenübersaß.
    Als die kurze Morgendämmerung hereinbrach und der Wald sich belebte, die ersten Kolibris neugierig um die Hütte flatterten und die Tukane schrien, war Dr. Perthes eingeschlafen. Sein Atem ging etwas ruhiger. An seinem wie Leder gewordenen Hals pochte das Blut in der Schlagader. Die Flecken zwischen den Fingern wurden trüber, die Fieberphantasien hörten auf. In Schweiß gebadet, lag Dr. Perthes auf seinem Blätterlager und schlief. Cartogeno wischte sich die Augen aus. Der ruhige Schlaf des Kameraden kam ihm wie ein Wunder vor. Peter lebte noch! Das Gift im Körper war gebrochen. Das unerprobte Serum, das Sapolàna das Leben gerettet hatte, es zerstörte auch das Gift der ›Schwarzen Witwe‹. Es war wie ein Wunder … Wirklich, es mußte ein göttliches Wunder sein! Aber es war ja Wahrheit – dort lag der schon vom Tod gezeichnete Kamerad und schlief. Schlief ruhig, gelöst und tief …
    Dr. Cartogeno erhob sich und ging mit steifen Beinen aus dem Zelt. Draußen starrten ihn die Taràpas an. Der Dolmetscher bekreuzigte sich. »Noch lebt er«, sagte Dr. Cartogeno leise. »Er schläft.«
    Und wieder dröhnte die dumpfe Trommel und rief die neue Botschaft durch die grüne Hölle. Der weiße Zauberer lebt noch! Er schläft. Betet zu Nungüi, der Erdenmutter. Tanzt mit dem Fetisch und treibt den bösen Dämon aus! Der weiße Zauberer darf nicht sterben …
    Cartogeno ließ Wasser holen. Mit Lysoform stellte er eine desinfizierende Lösung her und wusch damit Peters Körper. Viermal täglich erneuerte er den Tampon in der breit geschnittenen Wunde. Nach drei Tagen war auch das Fieber gesunken, nur Bewußtsein kehrte nicht zurück, das Gift mußte die Gehirnnerven angegriffen haben.
    In diesem Stadium, als feststand, daß Peter Perthes nicht sterben würde, entschloß sich Dr. Cartogeno, den Freund nach Zapuare zurückzubringen. Die Taràpas flochten aus Lianen und zähen Gräsern eine weite Tragmatte, brannten aus Baumstämmen Kanus aus und fertigten aus frischen Rinden leichte Boote. An einem frühen Morgen brach die Karawane auf – achtzehn Boote stark – und ruderte den Cuno Supari hinab. Nach zwei Tagen erreichten sie unterhalb San Juans den Rio Guaviare, den breiten Strom, der von den riesigen Weideflächen der Llanos des San Martin kam. Hier trennten sich die Taràpas von Dr. Cartogeno und fuhren zurück in die Unendlichkeit der Wälder. Die Nähe der

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