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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Karawane abschlossen.
    Sie zogen durch den unbekannten Wald, die ersten Weißen seit Tausenden von Jahren, mehrere hundert Meter lang, eine sich vorwärts arbeitende Riesenschlange unter urweltlichen Bäumen und Pflanzen.
    Drei Wochen zogen sie so durch den Wald. Der Boden war weich, faulig, schwammig. Die Hitze staute sich unter dem Blätterdach, durchsetzt mit der Feuchtigkeit der täglichen, wolkenbruchartigen Regengüsse, die ebenso schnell wieder aufhörten, wie sie ausbrachen. Das zur Erde geschleuderte Wasser verdunstete in der brennenden Sonne mit widerlichen Gerüchen. In den Raststunden, die gegen elf Uhr abends eingelegt wurden, sammelten die beiden Ärzte giftige Würmer aus dem fauligen Sumpf oder erlegten mit Giftpfeilen Affen und Tukane, sie fertigten sofort Blutproben an, fingen eine Anakonda, die die Taràpas als Leckerbissen am Feuer verzehrten, und töteten bisher unbekannte Molche, die durch eine Giftdrüse im Gaumen ein ätzendes Gift bis zu einem Meter weit spritzen konnten und alles Lebende in diesem Umkreis töteten.
    Die Ausbeute war reich. Dr. Perthes strahlte. Er hatte bereits jetzt genug Material für eine halbjährige Laborarbeit, wobei er dann die Gegengifte finden und kristallisieren mußte. In der vierten Woche näherte man sich einem Seitenarm des Cuno Supari. Das Quellgebiet des Mataveni war erreicht. Eine weiße Fläche auf der Landkarte konnte gestrichen werden. So gut sie es verstanden, fertigten die beiden Ärzte eine Skizze der Gegend an, fuhren auf Rindenbooten, die die Taràpas innerhalb von sechs Stunden aus den frischen Rinden eines Riesenbaumes anfertigten, den Oberlauf des Flusses ab und trugen in ein Meßtischblatt jede Biegung des Laufes ein; auch die Stelle, wo der Mataveni als dünner Wasserstreifen aus einem kleinen Sumpf sickerte, der von einer unterirdischen Quelle gespeist werden mußte.
    Es war an einem Donnerstag, wie Dr. Cartogeno später in seinem Taschenkalender feststellte, als Peter und er auf dem Rindenboot den Oberlauf eines Nebenarmes des Cuno Supari befuhren. Der Fluß war nur schmal, die grüne Wand des Urwalds ragte zu beiden Seiten hoch auf – zwei wogende Mauern. 60, ja 70 Meter hohe Bäume waren ein Riegel, den die Natur vor ihre Unerforschtheit gezogen hatte. Nach einer scharfen Biegung des Flusses zeigte sich ein Streifen sandigen Strandes, der in der Sonne hell leuchtete. Schmale Tierpfade führten von ihm in den zurückstehenden Wald. Der nasse Boden war an vielen Stellen zertrampelt. Hier mußte eine Tränke sein, die von vielen Tieren benutzt wurde. Perthes hielt mit dem Boot hart am Ufer und ließ es auf den Sand auffahren.
    »Mir scheint, daß uns hier eine Anzahl neuer Tiere begegnen wird«, meinte er zu Dr. Cartogeno, der die Spuren im Sand bereits untersuchte. »Dies ist ein Wasserschwein, hier eine Art Jaguar. Aber dort – diese langen, kratzigen Spuren! Es sieht so aus, als hätte das Tier neben Krallen Haar an den Füßen, die lang nachschleifen und die Spur verwischen.«
    »Bestimmt ein scheußliches Biest!« Dr. Cartogeno sprang an Land, sie zogen das Boot heran und versteckten es in einem Schilfdickicht. Dann bauten sie ein einfaches Zeltbahnlager in einem Lianengestrüpp, von dem aus sie auch bei Nacht die Tränke beobachten konnten. Sie vermuteten, daß die Tiere entweder bei Einbruch der Dunkelheit oder in der Morgendämmerung an das Wasser kommen würden. Sie lagen über zwei Stunden und lauschten auf die Laute der Vögel, das Geschrei der Baumaffen und den schmetternden Ruf des Trompetervogels. Es war heiß und schwül, der Schweiß auf ihren Körpern klebte.
    »Ich will versuchen, von der merkwürdigen Spur im Sand einen Abdruck zu machen. Kommen Sie mit, Doktor?«
    »Hinaus in die Sonne? Nee! Ich bin froh, daß ich im Schatten liege.« Cartogeno drehte sich eine Zigarette.
    Perthes erhob sich und ging hinunter zum Fluß. Im Flußwasser schöpfte er mit seinem Feldflaschenbecher, rührte dann etwas Gips an, den sie immer für solche Fälle in einem kleinen Sack mit sich führten, und goß vorsichtig die unbekannte Fährte aus. Er war mit der Arbeit gerade fertig geworden und wollte sich von den Knien erheben, als er hinter sich ein Rascheln hörte und gleichzeitig Dr. Cartogenos Schrei. Bruchteile einer Sekunde später krachte der erste Pistolenschuß. Perthes fuhr herum und starrte in die stechenden Augen einer großen, auf acht riesigen, langbehaarten Beinen stehenden Spinne. Ihr breiter, hoch gewölbter Vorderleib war

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