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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rufe. Die Trommeln in seinem Rücken schlugen wie toll. Weit weg, es war schwer zu schätzen, hörte er die Abschüsse und Einschläge von Artillerie.
    Dort schossen die Panzer mit ihren Langrohrgeschützen in die Schneisen und in die Baumkronen, auf denen die Taràpas mit ihren Blasrohren saßen. Krachend zerplatzten die Granaten in den Wipfeln und rissen die Krieger auseinander.
    Sapolàna war am Cuno Managuare eingetroffen. Sein Gesicht war verschlossen, seelenlos. Er ließ durch seine Trommeln verkünden: Jeder, der mir einen weißen Kopf bringt, erhält von Sapolàra, dem Medizinmann, einen Fetisch gegen die nächtlichen Dämonen.
    Jubelnd stürzten die Krieger vor, verblutend im rasenden Feuer der Maschinengewehre. Hundert – zweihundert – fünfhundert Taràpas fielen.
    Der Bankier sah durch den Sehschlitz seines Panzers auf das Morden. »Sie sind wahnsinnig«, sagte er erschüttert. »Ein ganzer Stamm opfert sich für einen einzigen weißen Arzt.«
    Und wieder brachen die Panzer vor, und das Feuer der Flammenwerfer schob sich vor ihnen her.
    Peter Perthes lag den ganzen Tag über, ohne sich zu rühren. Er trank aus seinen Feldflaschen, aß die harten Kekse und wartete auf die Nacht.
    In der Ferne ebbte das Feuer ab. Die Taràpas und die verbündeten Stämme zogen sich zurück. In der Nacht kämpften sie nicht. Die Dämonen der Dunkelheit würden sie vernichten. Wie alle Naturvölker hatten sie eine heilige Scheu vor dem Dunkel. Sie schlugen sich seitwärts in die Wälder und zogen sich an geschützten Stellen in kleinen Lagern zusammen. Kein Feuer verriet sie. Sie schliefen auf der Erde oder in den Bäumen wie Jaguare.
    Gegen zwölf Uhr nachts brach Peter auf. Er schlich auf den Pfad zurück und humpelte ihn, auf seinen Stock gestützt, weiter. In seinen Gliedern lag es wie Blei. Sein Puls klopfte, als wollten die Adern zerreißen.
    Weiter, nur weiter! Dem Schießen entgegen! Den Leuchtkugeln, die über den Bäumen standen.
    In der Rechten den Stock, in der Linken einen Revolver, so stolperte er durch den Wald. Hinter einer Biegung des Pfades hörte er Gemurmel. Er warf sich zu Boden und kroch in das Unterholz, unter armdicken Lianen hindurch. So umging er ein kleines Lager, und so traf er nach drei Stunden mühseliger Kriecherei, zerschunden, zerkratzt, am Ende seiner Kräfte, wieder auf den schmalen Pfad.
    Die Trommeln im weiten Umkreis begannen von neuem ihr dumpfes, schauriges Konzert. Sie verkündeten Sapolàna und den kämpfenden Taràpas die Freudenbotschaft: Der weiße Zauberer ist in der Nacht den Rio Inirida hinaufgefahren. Umari hat ihn gesehen. Er saß vorn im Boot und fing eifrig Nachtfische. Der weiße Zauberer wird in den Wäldern bleiben. Haltet nun die Weißen auf …
    Peter hetzte durch den Wald. Im Rücken wußte er die Lager der Taràpas. Vor sich sah er die Leuchtkugeln der Regierungstruppen. Ein Hubschrauber warf Leuchtschirme, die langsam zur Erde schwebten und zischend in den feuchten Kronen der Urwaldriesen verlöschten.
    Die Beine wurden schwerer und schwerer. Sie schleppten beim Gehen nach. Der dicke Stock wurde erneut zur Krücke. Ächzend blieb Perthes in kürzeren Abständen stehen und lehnte sich haltsuchend an die glatten, harzigen Stämme. Seine Brust hob sich in schweren Stößen auf und nieder.
    Durchhalten! rief er sich zu. Nur jetzt nicht liegen bleiben. Dort kommen sie … die Freunde, die Befreier, die Retter … Nicht hinlegen, Peter, nicht schlafen … es würde dein Tod sein.
    Weiter, nur weiter … wenn auch die Beine brennen, wenn das Blut auch kocht, wenn es vor den Augen flimmert … Morgen oder übermorgen kannst du schlafen … eine Woche lang, zwei Wochen … solange du willst! In einem weißen Bett unter weichen Federn, die sich an die gequälte Haut schmiegen werden. Kühl und doch wärmend …
    Weiter …
    Er kroch auf allen vieren durch den Wald. Er fiel in vermodernde Blätterberge, wälzte sich über Baumstämme und mannsdicke Lianen. Luftwurzeln hemmten seinen Weg, tückische Querwurzeln, flach und kaum sichtbar über dem Boden liegend, stellten ihm ein Bein.
    Er fiel aufs Gesicht, schlug sich die rechte Wange auf, das Blut rann den Hals hinunter über die keuchende Brust …
    Weiter … weiter …
    Wie ein Tier kroch er, vorwärts schnellend, Raum gewinnend, kräftesparend. Den dicken Stock schleifte er hinter sich her. Wenn er dann wieder gehen konnte, richtete er sich an ihm auf und taumelte weiter über den schmalen Weg, verbissen, mit glasigen

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