Wir sind nur Menschen
So werden wir die Taràpas täuschen. Ich fahre den Rio hinab … Und du kannst versuchen, entgegengesetzt nach San Pablo zu gelangen und durch die Llanos de San Martin nach Villavicencio. Ich werde fünf Tage unterwegs sein, immer mitten im Strom, damit niemand die Puppe erkennen kann. Dieser Vorsprung muß dir genügen!«
Peter drehte sich dem Freund zu. »Das geht nicht, Fernando. Wenn Sapolàna den Betrug merkt, bist du ein toter Mann.«
»Und du bist gerettet, Peter.«
»Nein! Dieses Opfer nehme ich nie und nimmer an! Wir müssen einen anderen Weg finden.«
An diesem Tag sprachen sie nicht mehr davon. Heimlich ließ Dr. Cartogeno die Puppe anfertigen und versteckte sie in den folgenden zwei Tagen in einem Schuppen in der Nähe des Hauses.
Wieder einmal erklang von fern das dumpfe Dröhnen der Baumtrommeln. Sie begleiteten den Weg Herrn von Bartheys, der unangefochten die Wälder passierte und ziemlich erschöpft von der ausgestandenen Angst in Villavicencio eintraf.
Er gönnte sich nur wenige Stunden Erholung. Dann suchte er den Polizeichef auf, führte Blitzgespräche mit der Regierung in Bogota und bat um Hilfe. Hilfe für Dr. Peter Perthes.
Dreitausend Taràpas bewachten ihn. Curare ist heilbar! Der deutsche Arzt hat das Gegengift gefunden! Aber er ist in den Händen Sapolànas, des Teufels von Amorua. Die Regierung Kolumbiens hat die Pflicht, den Arzt und sein Serum zu retten! Es geht jetzt nicht um den Mann allein, es geht um das Ansehen eines Staates in der Welt!
Von Bogota, von Neiva, von Tunja aus rückten die Regierungstruppen nach Villavicencio. Wieder erschienen auf den staubigen Straßen die Raupenschlepper, die Panzerwagen, die Flammenwerfer … Drei Hubschrauber kreisten darüber. Motorisierte Truppen sammelten sich am Rande der Llanos de San Martin. Die kleine Stadt Villavicencio glich einem mittelalterlichen Heerlager. Überall sah man nur Uniformen und Waffen, Wagen und Geräte, Feldgeschütze und Zeltstädte.
Wolf von Barthey saß bei dem Oberst, der die Truppen befehligte. Die ersten Bildberichte der amerikanischen Zeitungen und Illustrierten tauchten auf.
Kampf den Taràpas!
Ein Mann muß aus der grünen Hölle geholt werden!
Tag und Nacht dröhnten jetzt in den riesigen Wäldern die Baumtrommeln. Von Amorua bis Cobeuo, von Churrues bis Macueni an der bolivianischen Grenze hämmerten die braunen Finger auf den ausgehöhlten Stämmen.
Sapolàna ruft euch! Die Weißen greifen an!
Schützt die Wälder! Umstellt den weißen Zauberer, der für uns Leben bedeutet. Er darf unsere Wälder nicht verlassen, wenn ihr weiterleben wollt. In seiner Hand ist das Wundermittel, das alle Feinde des Körpers besiegt! Nehmt die Speere und die giftigen Blasrohre, klettert auf die Bäume und legt einen Gürtel von Giften um Zapuare!
Die Trommeln dröhnten, Tag und Nacht.
Dreitausend Taràpas saßen in den Büschen.
Zweitausend Tucanos zogen vom Amazonas nach Norden zu Sapolàna.
Eintausend Gadupinapos ruderten auf Kriegskanus vom Orinoko nach dem Süden.
Um die Fetischsäule tanzten wie besessen die Medizinmänner. Die Schrumpfköpfe hüpften um die nackten Lenden, und die schrillen, tierischen Schreie erschütterten die Wälder …
Sapolàna trat zum erstenmal seit vielen Jahren unter seine Krieger.
»Rettet euer Leben!« rief er grell. »Behaltet den weißen Zauberer hier!« Er zeigte auf seine Impfnarben! »Hier hat er uns in das Leben hineingeschnitten! Unsere Kinder sollen es auch haben! Vernichtet die anderen Weißen! Wir lassen uns den weißen Zauberer nicht nehmen!«
An einem frühen Morgen, bei strömendem Regen, setzten sich die Panzerwagen von Villavicencio aus in Marsch. Ihnen folgten die Raupenschlepper, die die Straße, die die Panzer in den Wald gebrochen hatten, erweiterten. Dicht aufgeschlossen ratterten die Maschinen der motorisierten Truppe. Der Spitze voraus kreisten die Helikopter und warfen Markierungszeichen und Bomben in die dichten Wälder.
Auf den Bäumen, in der Erde, hinter den Büschen, im Schlamm der Sümpfe warteten die Krieger Sapolànas. Sie bildeten eine Kette rund um Zapuare bis nach Guacamo hinein. Stumm sahen sie der auf sie zurollenden Vernichtung entgegen.
Namenlose braune Helden – mit Tukanfedern in den gespaltenen Ohren und Muschelketten auf der Brust …
Bei Sabana am Rio Cada flammte der Urwald auf. Die Flammenwerfer spritzten den Tod mit brennendem Öl in die Büsche. In ihnen verbrannten die ersten Taràpas – still, ohne Schreie, verbissen.
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