Wir sind verbannt (German Edition)
wenigstens, dir zu helfen.«
»Du wirst mir helfen«, erwiderte er. »Dein Dad kennt sich doch aus. Schließlich hat er dich gesund gemacht. Du kannst mir sagen, was ich tun soll.«
»Ich weiß es nicht!«, rief ich. »Das hab ich dir doch schon mal gesagt. Ich kann nichts für dich tun.«
»Du musst aber!«, rief er. »Ich bin doch krank!«
Er stolperte auf uns zu und streckte die Hand mit dem Messer nach mir aus. In dem Moment schoss Tessas Arm nach vorn, plötzlich flogen knisternde Funken, und Quentin schrie laut auf. Am ganzen Körper zuckend stürzte er zu Boden, und das Messer flog ihm aus der Hand. Tessa blickte zuerst ihn an, anschließend das Ding, das sie festhielt und das aussah wie ein Rasierapparat.
»Was ist das denn?«, fragte ich, als ich meine Stimme wiedergefunden hatte. »Was hast du mit ihm gemacht?«
»Elektroschocker«, antwortete sie. »Hab ich in einem der Ferienhäuser gefunden, als ich mal alleine unterwegs war. Ich dachte, es könnte nicht schaden, so was bei mir zu haben, für den Fall der Fälle.«
Ihr Blick fiel wieder auf Quentin, der gerade wenig erfolgreich versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.
»Ich hatte allerdings erwartet, dass es einem noch ein bisschen mehr Befriedigung verschafft«, stellte sie fest. »Kommt, lasst uns hier verschwinden.«
Damit machte sie einen Schritt um ihn herum und steuerte auf die Tür zu. Quentin sagte etwas, allerdings so undeutlich, dass ich es nicht verstehen konnte. Mit wackeligen Armen stemmte er sich mühsam auf alle viere. Als ich ihm zusah, wurde mir ganz flau im Magen. Was immer er getan hatte, wie viele idiotische Entscheidungen er auch getroffen hatte, er war immer noch der Junge, den ich schon seit dem Kindergarten kannte.
»Willst du ihn etwa einfach hierlassen?«, fragte ich.
Tessa wandte sich mit ausdruckslosem Gesicht zu mir um. »Warum denn nicht?«
»Er ist doch krank«, erwiderte ich, konnte ihr aber eigentlich keinen Vorwurf machen, wenn sie sich nicht sonderlich für seinen Gesundheitszustand interessierte. Also fügte ich noch hinzu: »Wenn wir ihn zurücklassen, wird er nicht hierbleiben. Wenn die Krankheit schlimmer wird, geht er raus und versucht andere Leute zu finden; die steckt er dann mit dem Virus an. Im Krankenhaus sorgen sie wenigstens dafür, dass er auch dort bleibt.«
»Nicht ins Krankenhaus«, murmelte Quentin.
»Dich hat keiner gefragt«, zischte ich. Ich sah Tessa an. Sie presste die Lippen zusammen, dann nickte sie.
Ich setzte Meredith als Erste in den Wagen und holte dann noch eine zusätzliche Schutzmaske, um sie Quentin überzustreifen. Anschließend zogen wir ihn Richtung Rücksitz. Zum Glück erholte er sich wieder so weit von dem Stromstoß, dass er sich auf den Beinen halten konnte, während er gleichzeitig zu krank war, um sich wehren zu können. Als ich die Wagentür öffnete, versuchte er, sich an uns vorbeizudrängen, doch Tessa hielt wieder den Elektroschocker in die Höhe.
»Steig ein, oder ich verpass dir noch eine«, drohte sie.
Als wir abfahrbereit waren, gab sie mir das Ding, denn wir hatten ihren Wagen genommen, und sie musste ihn fahren. Ich hielt es während der ganzen Fahrt ins Krankenhaus auf Quentin gerichtet. Er nuschelte irgendwas über seine Rechte und illegale Waffen, aber die meiste Zeit saß er nur vornübergebeugt da und zitterte und hustete. Als wir das Auto vor dem Krankenhaus abstellten, fing er wieder an zu protestieren, doch einer der freiwilligen Helfer sah uns durchs Fenster und kam heraus, um zu helfen.
Anschließend fuhren wir nach Hause und fielen sofort wieder in unsere Betten.
Als ich heute Morgen aufwachte, kam es mir vor, als hätte ich das alles nur geträumt. Aber ich hatte meine Schuhe noch an, und Meredith lag in ihrem Bett und hatte Murr ganz fest unter den Arm geklemmt. Und als ich nach unten ging, um Frühstück zu machen, lag da der Elektroschocker mitten auf dem Esstisch. Denn so sieht unser Leben jetzt aus.
12. Dezember
Verdammt!
Meredith hat Fieber und weint, weil ihr Arm nicht aufhört zu jucken.
Als ich meinen Mantel anzog, fing sie noch lauter an zu schreien. Deshalb bin ich hiergeblieben, und Tessa hat sich auf den Weg gemacht, um Dad Bescheid zu sagen.
Wenn es einen Gott gibt, würde ich ihn noch zehnmal fester ins Gesicht schlagen, als ich Quentin jemals getreten habe.
Wann wird dieses Virus sich endlich zufriedengeben? Wann hört das alles auf?
Warum kann es uns nicht einfach in Ruhe lassen?
14. Dezember
Meredith
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