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Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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Mädchen, die immer im Mittelpunkt stehen, egal was sie machen, und die deshalb von allen gemocht werden. Das war auch der Grund, warum ich sie eingeladen hatte. Ich stand nicht im Mittelpunkt. Ich war bloß das seltsame Mädchen, dessen Mom und Dad unterschiedliche Hautfarben hatten und die in den Pausen mit derselben Wahrscheinlichkeit Ameisenhaufen beobachtete wie »Wer hat Angst vorm schwarzen Mann« spielte. Moms Familie lebte schon genauso lange auf der Insel wie alle anderen, deshalb ließen die Kids mich meistens dabei sein, wenn ich es wollte, und wenn nicht, machte es mir auch nichts aus. Doch als ich so dastand, während sich alle um Shauna drängten, kam ich mir vor, als könnte ich mich ebenso gut in Luft auflösen.
    Dann sagtest du: »Komm, wir zeigen ihnen mal, was wir können.« Und du nahmst das Laptop heraus, auf dem du unser Übungslied mitgebracht hattest.
    Ich dachte, ich würde über meine eigenen Füße stolpern und alle würden mich auslachen, was noch viel schlimmer gewesen wäre, als bloß ignoriert zu werden. Aber du sahst so sicher aus, dass ich deine Hand nahm.
    Ich bin nicht gestolpert. Ich hatte stattdessen das Gefühl zu schweben, sanft über den Boden zu gleiten. Alle hielten inne und sahen uns zu, und irgendwer sagte »Wow!«. Und ich war gar nicht mehr aufgeregt. Die anderen sahen mich an und wünschten sich, sie könnten das, was ich konnte. Ein paar Minuten lang stand ich im Mittelpunkt, dank dir.
    Wenn ich könnte, würde ich dieses Gefühl der Erinnerung entreißen und es hier in der Gegenwart behalten. Ich könnte es im Moment gerade gut gebrauchen.
    Eigentlich dachte ich, letzte Nacht wäre es am schlimmsten gewesen. Nach dem Abendessen kam dieser Lärm von draußen. Zuerst glaubte ich, es wäre ein Waschbär – die können richtig kreischen, wenn sie wütend sind. Doch dann hörte ich dazwischen auch Worte.
    Ohne weiter darüber nachzudenken, lief ich schnurstracks zur Haustür. Mom sagte, sie hätte mich noch gerufen, aber ich hätte sie nicht gehört. Ich bin raus auf die Veranda, und da sah ich Mrs Campbell, die ältere Dame, die drei Häuser weiter wohnt, wie sie in ihrem Vorgarten stand und Grasklumpen ausrupfte und gegen ihre Hauswand warf. Sie hatte nur ihr Nachthemd an. Ihre nackten Füße waren von der Erde, wo sie den Rasen ausgerissen hatte, schon ganz braun.
    Sie war es, die da kreischte. Und zwischendrin rief sie so etwas wie: »Ihr kriegt mich nicht!« und »Geht weg, geht weg!«
    Ich stand wie versteinert da. Ich konnte nicht mal atmen. Es kam mir vor, als hätte ich mich stundenlang nicht vom Fleck bewegt und sie angestarrt, doch es dauerte wohl kaum eine Minute, bis Dad nach draußen kam, mich am Ellenbogen nahm und »Komm ins Haus, Kae« sagte.
    Mom war schon dabei, den Krankenwagen zu rufen, doch die Klinik war anscheinend überlastet. Sie musste fünfmal wählen, bevor sie durchkam, und Mrs Campbell schrie noch eine ganze Stunde da draußen herum, bevor sie endlich kamen.
    »Kannst du denn gar nichts machen?«, fragte ich Dad, doch schon in dem Moment, als ich die Worte aussprach, wurde mir klar, dass das nicht fair von mir war. Schließlich hat er ja keinen Geheimvorrat an Medikamenten zu Hause.
    »Ich denke, es ist besser, wenn wir uns fernhalten«, antwortete er.
    »Genau«, sagte Drew. »Ist ja klar, dass es nichts gibt, womit man ihr wirklich helfen kann.«
    Dann fing Mom an zu weinen, weil Mrs Campbell sie vor ein paar Tagen zu sich eingeladen hatte. »Ich dachte, sie wäre einsam und verängstigt, bei alledem, was sie gehört haben musste«, sagte sie. »Und ihr wisst doch auch, dass sie schon so lange hustet. Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie sich infiziert hat. Wenn ich das gewusst hätte …«
    Mein Magen machte einen Salto. »Hattest du deine Schutzmaske auf?«, platzte ich heraus.
    Mom kniff die Augen zusammen, als hätte sie ihre eigene Sicherheit nicht richtig bedacht. Beim Antworten zitterte ihre Stimme ein wenig: »Ja. Ja, hatte ich.«
    »Viel hätten sie im Krankenaus nicht für sie tun können, auch wenn du es da schon gemerkt hättest«, sagte Dad, und Mom fragte wirklich giftig: »Und warum nicht?« Sie entschuldigte sich sofort, aber für den Rest des Abends waren wir alle ganz schön mit den Nerven fertig.
    Das ist aber alles noch nichts im Vergleich zu heute. Dad ist wieder ins Krankenhaus gefahren, obwohl Sonntag ist. Vor ungefähr einer halben Stunde rief er an und wollte Mom sprechen. Ich hätte sie gleich holen

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