Wir sind verbannt (German Edition)
können – sie war bloß im Garten hinter dem Haus und mähte den Rasen –, aber ich hörte an seinem Tonfall, dass er etwas Wichtiges zu sagen hatte. Und ich hab’s langsam satt, immer die Letzte zu sein, die die Neuigkeiten erfährt.
»Sie ist mal kurz weggegangen«, antwortete ich deshalb. »Was ist denn los?«
Er seufzte, und einen Augenblick lang dachte ich, er würde es mir nicht sagen. Im Hintergrund hörte man andere Stimmen murmeln, doch ich konnte keine davon richtig verstehen. »Dad …«, fing ich an.
»Ich weiß noch keine Einzelheiten«, sagte er da plötzlich ganz ruhig, »und hier reißen sich gerade alle ums Telefon, so dass ich im Moment nicht lange sprechen kann. Aber die Regierung ist zu dem Schluss gekommen, dass das Gebiet hier ein zu hohes Risiko darstellt. Sie riegeln die Insel ab.«
Quarantäne
22. September (später)
Leo,
als ich damit anfing, in dieses Tagebuch zu schreiben, hab ich das für mich gemacht. Doch mittlerweile hab ich das Gefühl, ich müsste auch für dich weiterschreiben. Damit es eine Aufzeichnung davon gibt, was hier passiert. Du wirst eine ganze Weile nicht zurückkommen können, und wenn, dann willst du sicher alles erfahren. Und vielleicht kann ich dir das hier eines Tages zeigen.
Hoffentlich.
Als Mom aus dem Garten hereinkam, erzählte ich ihr, was Dad darüber gesagt hatte, dass sie die Insel abgeriegelt haben. Und wir riefen Drew herunter und schalteten den Fernseher ein. Unsere Story hat es bis in die Sechs-Uhr-Nachrichten geschafft. Sie zeigten den Hafen in Großaufnahme – Soldaten, die an den Anlegestellen patrouillierten und Schutzmasken trugen, die aussahen wie Tauchermasken. »Von Regierungsseite wurde der Grund für diesen Truppeneinsatz bislang noch nicht bestätigt«, erklärte der Reporter. »Die Militärpräsenz steht jedoch offensichtlich mit dem aktuellen medizinischen Notstand auf der Insel in Zusammenhang.«
Nicht mal da schien mir das, was Dad erzählt hatte, real. Der Hafen sah zwar aus wie unserer, aber er musste irgendwo anders sein. Oder es war altes Filmmaterial von irgendjemandem, der hier mal gedreht hatte. Es war einfach unmöglich, dass das gerade wirklich passierte.
Kurz vor Mitternacht kam Dad nach Hause. Er beorderte uns alle ins Wohnzimmer und kam gleich zur Sache. »Das Gesundheitsministerium hat beschlossen, die Insel unter Quarantäne zu stellen«, erklärte er mit matter Stimme. »Wenigstens so lange, bis wir das Virus isoliert und eine wirksame Behandlungsmethode entwickelt haben.«
»Und was heißt das konkret – Quarantäne?«, wollte Drew wissen. »Müssen wir etwa alle in unseren Häusern bleiben?«
Dad schüttelte den Kopf. »Es heißt, dass vorerst niemand außer dem medizinischen und militärischen Regierungspersonal auf die Insel kommen oder sie verlassen darf«, antwortete er. »Die Fähre läuft erst wieder aus, wenn die Quarantäne aufgehoben wird, und die Soldaten patrouillieren an den Anlegestellen, um sicherzustellen, dass niemand versucht, mit einem Privatboot zu fliehen.«
Wir sitzen also hier fest. Das ungute Gefühl in meinem Bauch verfestigte sich zu einem gummiartigen Klumpen. Dann musste ich an Onkel Emmett und Meredith denken.
»Was ist aus der Sache mit dem Quarantänebereich auf dem Festland geworden, damit die Leute, die nicht krank sind, eine Möglichkeit haben, die Insel zu verlassen?«, fragte ich.
»Man ist der Meinung, das Risiko, die Menschen von einem Ort zum anderen zu bringen, sei zu hoch«, antwortete Dad. »Tut mir leid.«
Die Schulen bleiben alle geschlossen. Wenn möglich sollen wir alleine mit den Büchern weiterarbeiten, aber das Schuljahr wird da wiederaufgenommen, wo wir aufgehört haben – eventuell wird der Unterricht in den Sommerferien noch ein bisschen weiterlaufen. Alle nicht lebensnotwendigen Betriebe sollen geschlossen bleiben. Mom hat eingewilligt, auf ihre Schichten im Café zu verzichten, bis die Epidemie vorbei ist.
»Man hat uns zugesichert, dass wir alles bekommen, was wir brauchen«, erklärte Dad, während sich in meinem Kopf alles drehte. »Es wird jede Woche ein Schiff mit Nahrungsmitteln und Medikamenten kommen.«
»Sie gehen also davon aus, dass die Quarantäne länger als eine Woche dauert?«, fragte Mom, die Hände vor sich auf dem Tisch gefaltet.
»Es sind zuerst noch eine Menge Fortschritte nötig«, antwortete Dad, was offensichtlich ›ja‹ hieß.
Diese Nachricht brauchte erst mal einen Moment, um sich zu setzen. In drei Wochen ist
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