Wir sind verbannt (German Edition)
vorsichtig.« Er tastete nach der Schutzmaske, die er in die Tasche seiner Jeans gesteckt hatte.
»Wenn das alles ist, was du machst, wieso sagst du Mom nichts davon und nimmst das Auto?«, fragte ich. »Ich hab dich gedeckt, weißt du. Sie und Dad sind bestimmt total sauer, wenn sie –«
»Du darfst es ihnen auf keinen Fall erzählen!«, unterbrach er mich, bevor ich ausreden konnte. »Ich muss das einfach tun, verstehst du?«
Er klang so verzweifelt, so gar nicht wie der Drew, den ich kenne.
»Schon gut«, sagte ich. »Ich hatte sowieso nicht vor, was zu sagen.«
»Danke«, sagte er etwas ruhiger. »Dafür, dass du mich deckst und alles.«
Als er an mir vorbeihastete, roch ich einen Hauch von Salz und Seetang. Er war also irgendwo unten an der Küste gewesen. Was immer er vorhat, es geht mit Sicherheit um mehr, als sich nur mal die Beine zu vertreten. Er macht irgendwas da draußen. Etwas, das ihm wichtig ist. Und ich sitze hier drin fest und spiele Brettspiele mit Meredith.
Während des ganzen Abendessens nagte der Frust an mir. Und dann kam Dad nach Hause, völlig abgekämpft, und ich hörte, wie er etwas darüber zu Mom sagte, dass ihnen eine bestimmte Sorte Medikamente ausginge.
Ich musste nicht mal nachdenken. Ich ging hinauf in mein Zimmer und wählte Tessas Nummer.
»Hallo«, sagte ich, als sie abnahm. »Lass’ uns loslegen. Lass’ uns diese Ferienhäuser näher unter die Lupe nehmen.«
Jetzt ist es abgemacht. Und morgen fangen wir an.
7. Oktober
Tessa Freedman und Kaelyn Weber, offizielle Arzneimitteldiebinnen. Das hättest du dir bestimmt nie träumen lassen, Leo.
Mom habe ich erzählt, dass ich nach Dads Pflanzen sehen wollte. Als ich vor Tessas Haus parkte, war ich dermaßen kribbelig, dass ich ein paarmal tief Luft holen musste, bevor ich ausstieg, und meine Hände waren ganz schwitzig vom Lenkradumklammern. Doch ich rief mir ins Gedächtnis, dass die neue Kaelyn sich nicht von so einem bisschen Aufregung aufhalten lassen würde, wischte sie mir an der Jeans ab und marschierte auf die Haustür zu.
Gefühlte zehn Sekunden später saßen wir bereits im Auto ihrer Eltern, und ich hatte das Schlüsselbrett schwergewichtig auf dem Schoß. Als wir uns dem Meer näherten, frischte der Wind auf und brauste an den Scheiben vorbei.
Erinnerst du dich noch daran, wie wir uns damals auf einen der Privatstrände geschlichen haben, als ich im ersten Sommer, nachdem wir weggezogen waren, zu Besuch kam? Zehn Minuten in den tosenden Wellen auf der Seeseite, und wir hatten nie mehr das Bedürfnis, noch mal dahin zu kommen. Aber die meisten dieser Häuser haben ihren eigenen Pool, und der Blick aufs offene Wasser ist in der Tat schöner als der auf die Meerenge, also nehme ich mal an, dass die Rechnung für die Sommergäste aufgeht.
Als wir in der Auffahrt des ersten »Ferienhäuschens« parkten, das ungefähr doppelt so groß aussah wie unser Wohnhaus, bekam ich kalte Füße.
»Bist du sicher, dass keiner zu Hause ist?«, fragte ich.
»Die meisten der Feriengäste reisen spätestens Anfang September wieder ab«, erwiderte Tessa. »Dann wird es ihnen langsam zu kühl hier. Ich hab meinen Dad gefragt, als er das letzte Mal angerufen hat, und er sagte, dass er von niemandem weiß, der dieses Jahr länger bleiben wollte. Die Häuser müssten also alle leer stehen.«
Sie war so verdammt cool. Ich wünschte mir, sie wäre auch nervös. Bloß um zu wissen, dass ihre Fassade wenigstens ein paar winzige Risse hatte.
»Ist sicher schon ein paar Tage her«, sagte ich, »dass du das letzte Mal mit ihm reden konntest. Sie versuchen gerade, die Fernverbindung wieder in Ordnung zu bringen.«
»Ich weiß«, antwortete sie. »Ich hab mit jemandem in der Stadtverwaltung gesprochen. Es ist nicht so schlimm. Ich meine, ich weiß ja immerhin, dass es ihnen gutgeht. Für meine Eltern muss es viel schwerer sein.« Dann schüttelte sie den Kopf und sagte: »Na ja, lass’ uns anfangen.«
Ich kam mir ganz schön komisch vor, als ich zu der Tür ging und sie aufschloss, als wäre das unser eigenes Anwesen. Das erste Haus besaß eine große Veranda mit Whirlpool in der Ecke und einen riesigen offenen Flur im Inneren. Wir zogen unsere Schuhe aus, und ich hätte in Socken über den Fußboden schlittern können, so glattgebohnert war er.
Kannst du dir vorstellen, dermaßen viel Geld in einen Ort zu investieren, den du nur als Feriendomizil benutzt? Total verrückt.
»Wo sollen wir suchen?«, fragte ich.
Ȇberall, wo die
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