Wir sind verbannt (German Edition)
einbezogen hätten, mit der Sache ins Internet gegangen wären, der ganzen Welt gezeigt hätten, wie sie uns verarscht haben – hey, waren da nicht sogar Kameras vor Ort ges…«
Noch bevor er die Frage zu Ende formuliert hatte, verstummte er. Meredith stand da und starrte auf den Boden, die Arme fest verschränkt, am ganzen Körper zitternd.
»Mere!«, rief ich und hockte mich neben sie. Sie lehnte sich an mich, und das Zittern hörte allmählich auf. Ich drückte sie ganz fest, während mir flau im Magen wurde und mir die Tränen in die Augen stiegen.
»Daddy wollte mich nur beschützen«, sagte sie. »Das hat er mir gesagt.«
»Ich weiß«, antwortete ich. »Ich weiß. Und er hätte bestimmt gewollt, dass du all die Sachen mitnimmst, die du so gerne magst, nicht wahr? Komm wir gehen nach unten und suchen deine Lieblingsfilme raus. Und gleich wenn wir wieder bei uns zu Hause sind, sehen wir uns einen davon zusammen an, ja?«
Drew folgte uns ein paar Minuten später. Als ich eine Tüte für die DVDs holen wollte, kam er hinter mir her in die Küche.
»Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich hab mich ein bisschen reingesteigert – ich hätte das nicht vor ihr sagen sollen.«
Ich seufzte. »Vielleicht hätte deine Methode ja funktioniert«, erwiderte ich. »Aber das werden wir sowieso nie erfahren. Wie kannst du ihn so kritisieren, wo er doch gerade gestorben ist?«
»Ich weiß auch nicht«, antwortete er und rieb sich die Stirn. »So denke ich eben darüber. Das Ganze kommt mir immer noch ganz unwirklich vor, weißt du?«
»Ja«, erwiderte ich leise.
Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer merkte ich, dass er zögerte. Dann fragte er: »Kae, wenn wir die Regierung überzeugen könnten, die Leute von der Insel zu lassen, wenn es einen sicheren Weg gäbe … würdest du dann gehen, auch wenn Dad hierbliebe?«
Wir traten gerade durch die Tür, und Meredith sah mich mit der winzigen Andeutung eines Lächelns an. Ich musste keine Sekunde nachdenken.
»Wenn ich dann Meredith mitnehmen könnte?«, antwortete ich. »Ja. Auf jeden Fall.«
Wir rafften ihre Taschen zusammen, und ich ließ auf dem Weg hinaus zum Wagen keinen Augenblick meine Hand von ihrer Schulter.
Während wir ihr Gepäck im Kofferraum verstauten, kam ein Mädchen, das aussah wie zwölf oder dreizehn, die Straße entlang. Sie fiel mir sofort auf, als wir zur Tür hinaustraten. Sie kratzte sich am Handgelenk. Jede einzelne Faser meines Körpers spannte sich an.
»Steig in den Wagen«, sagte ich zu Meredith. Sie sah mich einen Augenblick fragend an, befolgte die Aufforderung jedoch, ohne etwas zu sagen.
»Hallo«, begrüßte uns das Mädchen, nieste und wischte sich anschließend die Nase ab.
»Was habt ihr vor? Wollt ihr etwa verreisen?«
»So was Ähnliches«, antwortete ich. »Wir, ähm, haben’s ein bisschen eilig. Man sieht sich!«
Ich hatte die Autoschlüssel, also schob ich mich schnell hinters Lenkrad. Während ich schon am Zündschloss fummelte, sprang Drew ebenfalls rasch in den Wagen. Der rasselnde Husten des Mädchens hörte sich an, als stünde es direkt neben mir. Ich sagte mir selbst, dass wir sicher waren; bei geschlossenen Fenstern konnte das Virus nicht eindringen, aber ich brauchte trotzdem drei Versuche, bis ich den Wagen am Laufen hatte. Als das Mädchen dann an meine Scheibe klopfte, gab ich Vollgas.
»Wieso wolltest du denn nicht mit Josey sprechen?«, fragte Meredith, als wir um die Ecke brausten. »Sie ist wirklich nett. Sie passt manchmal auf mich auf.«
»Sie ist krank«, erklärte ich ihr. »Wenn du jemanden triffst, der aussieht, als wäre er erkältet oder als ob es ihn ganz doll juckt, musst du schnell von ihm weggehen. Verstanden?«
»Oh«, antwortete sie so leise, dass ich es kaum hören konnte.
»Uns passiert nichts«, beruhigte Drew sie. »Kaelyn hat genau das Richtige getan. Wir haben uns schnell aus dem Staub gemacht, und jetzt sind wir in Sicherheit.«
Durch seine Worte fühlte ich mich ein bisschen besser, aber weißt du was? Eigentlich weiß keiner von uns hier, was eigentlich das Richtige ist. Onkel Emmett dachte, es sei das Richtige, Soldaten herumzuschubsen, um gegen die Quarantäne zu protestieren. Dad hält es für das Beste, wenn keiner von uns überhaupt das Haus verlässt. Und ich hätte dieses Mädchen vielleicht ins Krankenhaus schicken müssen oder versuchen, ihre Eltern ausfindig zu machen, anstatt einfach wegzufahren.
Aber wenigstens habe ich Meredith in Sicherheit gebracht. Das
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