Wir sind verbannt (German Edition)
Funkfrequenz, die wir reinkriegen, aber bisher haben wir noch keinen Kontakt herstellen können.«
»Was ist mit den Hilfslieferungen?«, wollte ich wissen. »Kommen die Hubschrauber noch?«
»Auch da gibt’s ein paar Probleme«, antwortete er. »Aber wir finden schon eine Lösung. Wir haben ausreichend Lebensmittel, nur einige Medikamente werden langsam knapp. Aber ehrlich gesagt, haben die meisten davon sowieso keine große Wirkung gezeigt, so dass ich mir gar nicht sicher bin, ob es überhaupt irgendeinen Unterschied machen würde. Dasselbe gilt leider auch für die Versuchspflanzen, die Tessa für uns gezogen hat. Am dringendsten benötigen wir Sedativa, um die Leute in den späteren Stadien ruhigzustellen.«
»Bis sie dann sterben«, sagte ich. Ich musste wieder an Mom denken, und meine Augen begannen zu brennen. Ich verschränkte ganz fest die Arme vor der Brust.
»Nicht immer«, antwortete Dad und versuchte positiv zu klingen, aber er hörte sich nur gequält an. »Du bist unsere fünfte Patientin, die wieder vollständig gesund wird. Und die Frau, die das Zimmer hier mit dir teilt, scheint die sechste zu sein.«
Und wie viele sind nicht wieder gesund geworden? Ich dachte an die Menschenmenge in der Empfangshalle, an dem Tag, als ich hergekommen war, um Dad zu suchen, und an die vielen Patienten in den Fluren. Aber ich glaubte nicht, dass er mir diese Frage beantwortet hätte, wenn ich sie wirklich gestellt hätte. Ich wollte auch nicht den Ausdruck sehen, den sein Gesicht dann bekommen hätte. Deshalb fragte ich stattdessen nur: »Warum? Was war denn bei uns anders?«
»Wahrscheinlich hattet ihr einfach Glück«, antwortete er.
Ich liege nun schon eine ganze Weile da, seit Dad gegangen ist, und lasse das alles auf mich wirken. Jetzt ist wohl der Zeitpunkt, an dem ich innerlich jubeln sollte, dass ich überlebt habe. Doch stattdessen würde ich mich am liebsten nur in der Matratze vergraben und warten, bis dieses ganze Desaster endlich vorbei ist.
Was macht es schon für einen Unterschied, dass ich noch lebe? Das konnte auch nicht verhindern, dass alles andere noch schlimmer geworden ist. Warum ich und nicht Mom oder Rachel oder Mrs Campbell? Was habe ich denn getan, dass ich es verdient habe zu leben, wenn die anderen alle tot sind, für immer fort und
Gar nichts.
10. November (später)
Heute Nachmittag kam Gav zu Besuch. Das hat irgendwie alles verändert.
»Hey«, begrüßte er mich und schob den Vorhang weg. Er wirkte erschöpfter als sonst, und seine Haare waren vom Wind ganz zerzaust, doch seine Augen leuchteten wie immer, und als er seine Schutzmaske abnahm, kam sein typisches verschmitztes Lächeln zum Vorschein.
Ich fühlte mich immer noch mies und nutzlos, aber ich zwang mich zurückzulächeln. »Hey«, sagte ich und setzte mich etwas auf. »Was machst du denn hier?«
»Ich hab gehört, dass es dir bessergeht«, antwortete er. »Hab ganz schön lange gebraucht, bis ich dein Zimmer gefunden hatte, aber die sind hier alle viel zu beschäftigt, um irgendeinen Kerl zu bemerken, der verloren durch die Gegend irrt.«
»Na ja, jetzt hast du mich ja gefunden«, erwiderte ich. »Komm rein.«
Er setzte sich auf den Hocker neben dem Bett, auf dem Dad gesessen hatte, sagte aber weiter nichts. Er sah sich im Zimmer um, blickte jedoch alle paar Sekunden wieder zu mir, als hätte er Angst, ich könnte mich in Luft auflösen, wenn er nicht aufpasste. Da kam mir plötzlich der Gedanke, dass ich wahrscheinlich ziemlich furchtbar aussah – ich hatte zwar am Morgen duschen dürfen, mich anschließend aber mit nassen Haaren wieder hingelegt, so dass sie garantiert in alle Richtungen vom Kopf abstanden. Und das Heulen und Schniefen während des ganzen Vormittags war meinem Aussehen wahrscheinlich auch nicht gerade zuträglich gewesen.
Doch dann dachte ich, wie albern es doch war, sich wegen seines Aussehens verrückt zu machen, wenn die Alternative darin bestand, tot zu sein, und schob die Gedanken beiseite.
»Wie läuft’s mit den Essensausfahrten?«, erkundigte ich mich.
Er runzelte die Stirn. »Das, na ja, läuft irgendwie gar nicht mehr«, antwortete er. »Aber darüber willst du bestimmt lieber nichts hören.«
»Doch, will ich«, erwiderte ich, obwohl ich in Wirklichkeit natürlich hören wollte, dass es prima läuft. »Was ist denn passiert?«
»Ich weiß nicht so wirklich«, antwortete er und sah unter sich. »Alles schien bestens zu klappen. Aber dann … einer der Jungs ist krank
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