Wir sind verbannt (German Edition)
geworden. Kurt. Und danach Vince. Da waren sich die anderen auf einmal nicht mehr sicher, ob sie die Runden weiter fahren wollten. Und dann kam Quentin irgendwie mit ihnen ins Gespräch, und ich habe, glaube ich, nicht genug aufgepasst. Eine Gruppe von älteren Typen zieht jedenfalls seit einigen Wochen durch die Stadt, bricht in Häuser und Geschäfte ein und stiehlt Sachen, und Quentin und seine Freunde haben beschlossen, bei denen mit einzusteigen und ihnen den Schlüssel zur Lagerhalle zu überlassen.«
Einen Moment lang war ich unfähig zu sprechen. »Sie haben alles gekriegt?«, brachte ich dann hervor.
»Nein«, erwiderte er. »Wir hatten Glück. Warren hat rausbekommen, was da läuft, und wir sind hin und haben sie auf frischer Tat ertappt. Es war schon verrückt, weil sie ein paar Gewehre haben und nicht gerade die Sorte Typen sind, die zögern würden, die auch auf uns abzufeuern. Doch anscheinend waren sie der Meinung, sie hätten schon genug, wozu also noch die Patronen verschwenden? Sie haben den Lieferwagen kurzgeschlossen, so dass wir den auch los sind, aber wir haben noch ungefähr die Hälfte von den Lebensmitteln, die noch in der Lagerhalle waren. Die mussten wir natürlich woanders hinbringen. Und jetzt sind es nur noch Warren, Patrick und ich, die mit den Autos die Runden fahren. Ich hab dauernd das Gefühl, wir müssten noch mehr tun – wir stoßen in den Häusern immer wieder auf Kranke, und ich glaube, in einigen sind nur noch Kinder, um die sich niemand mehr kümmert. Aber außer uns dreien ist keiner mehr übrig.«
Seine Stimme versagte.
»Rede doch mal hier mit jemandem«, schlug ich vor. »Wenn du sie vielleicht bittest …«
»Nein, ich weiß jetzt schon, wie diese Unterhaltung ausgehen würde«, fiel er mir ins Wort. »Sie würden mich runtermachen, weil ich das Essen genommen und versucht habe, die Aktion selber durchzuziehen, und sie würden irgendwem die Verantwortung übertragen, der alles, was wir schon so gut organisiert haben, völlig ignoriert. Das hat überhaupt keinen Sinn.«
Er seufzte und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich sollte dich nicht damit belasten. Ich wollte dir eigentlich auch nur sagen, wie froh ich bin, dass es dir wieder bessergeht.«
In dem Moment überkam mich ein Gefühl der Hoffnung. Gav glaubte vielleicht nicht, dass es klappen könnte, aber ich wusste, dass er sich irrte. Vor ein paar Stunden hatte ich Mrs Hansen, die im Schulsekretariat arbeitete, dabei beobachtet, wie sie der Frau, mit der ich mir das Zimmer teile, etwas zu essen brachte. Und Mr Green, den Postboten, wie er an der Zimmertür vorbeilief, und noch andere Freiwillige, die vorher noch nie im Krankenhaus gearbeitet hatten. Die es aber jetzt tun, weil sie helfen wollen, genau wie Gav. Kein Mensch macht sich Gedanken darüber, wer zuständig ist, vorausgesetzt, es ist jemand, der das richtige Ziel verfolgt.
Gav braucht Leute, und diese Leute sind hier. Wir müssen sie bloß noch zusammenbringen.
Als er sich verabschiedete, sagte ich deshalb zu ihm: »Es war schön, dass du da warst. Würdest du Morgen früh noch einmal kommen?« Und er lächelte und sagte, das würde er.
Ich kriege das hin. Ich habe das Virus besiegt – ich bin jetzt eine Überlebende. Ich muss beweisen, dass ich das auch verdient habe.
Beweisen, dass es zu etwas gut ist.
11. November
Ich hatte gehofft, ein Aktionsplan würde mir irgendwie helfen, den Schmerz zu überwinden. Doch mitten in der Nacht wachte ich auf und hatte Sehnsucht nach Mom, nach ihrer Hand auf meiner Wange, nach ihrer ruhigen Stimme. Im ersten Moment wusste ich nicht, was los war. Und dann fiel es mir wieder ein, und ich dachte daran, dass Drew fort war und vielleicht auch tot und dass ich mich von keinem der beiden hatte verabschieden können. Ich begann so laut zu schluchzen, dass ich sicher die Frau aufgeweckt habe, die mit mir im Zimmer liegt, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Die Tränen flossen immer weiter, bis meine Brust schmerzte. Als Dad heute Morgen vorbeikam, war ich noch ganz verheult.
Aber ich zog meinen Plan durch. Ich erzählte ihm, was Gav vorhatte – seinen Kommentaren konnte ich entnehmen, dass er teilweise schon Bescheid wusste – und dass Gav mehr Leute brauchte, die mit dem Essen, den Kranken und den Kindern halfen. Als ich fertig war, sah er mich eindringlich an und sagte: »Wir reden hier über eine ganze Menge Arbeit, Kae.«
»Schon klar«, antwortete ich.
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