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Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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Freunde dich losgeschickt, um gesunde Leute abzuknallen?«
    Er starrte sie nur an. Und ich ebenfalls.
    »Du bist noch schlimmer als das Virus«, fuhr sie fort. » Das lässt wenigstens noch ein paar Menschen am Leben, während du hier rumläufst und versuchst, einfach jeden umzubringen.«
    »Mal abwarten, ob du das auch noch sagst, wenn deine Freundin dich ansteckt«, antwortete der Typ, ließ jedoch sein Gewehr sinken. Kaum bewegte er sich etwas weg, hechtete ich in den Wagen. Tessa mir nach. Sie hatte den Motor laufen lassen und stieß jetzt gerade so viel zurück, dass sie um die Leiche der Frau herumfahren konnte, um dann so plötzlich Vollgas zu geben, dass ich mit der Schulter voll gegen die Scheibe knallte.
    »Tut mir leid«, entschuldigte sie sich und klang nun wieder wie die normale Tessa. »Ich hielt es für besser, ihm keine Zeit zu lassen, es sich noch mal anders zu überlegen.«
    »Nein«, sagte ich. »Oh mein Gott. Danke.«
    »Ich konnte ja nicht einfach zulassen, dass er dich erschießt«, sagte sie, als wäre das eine völlig klare Sache. Das ist es aber nicht. Sie hätte es einfach zulassen können. Sie hätte wegfahren können, anstatt ihr Leben für irgendein Mädchen zu riskieren, neben dem sie noch vor ein paar Monaten nicht einmal hatte sitzen wollen.
    Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre. Ich hoffe, ich hätte ihr auch geholfen, aber ich kann mir ebenso gut vorstellen, dass ich einen Blackout gekriegt hätte, bis es zu spät gewesen wäre. Obwohl ich natürlich lieber so jemand sein will. Jemand, der andere Menschen rettet.
    Ich habe schließlich ein Virus besiegt, das fast jeden umbringt – ich sollte mich wirklich stärker fühlen. Ich bin stärker. Das darf ich nicht vergessen.

15. November
    Als ich heute Morgen duschen wollte, kam braunes Wasser aus der Leitung. So braun, dass es in Tessas sauberer Badewanne ganz trüb aussah. Ich versuchte, im Krankenhaus anzurufen, aber es war ständig besetzt, wie meistens. Deshalb sagte ich Tessa und Meredith, sie sollten kein Leitungswasser trinken, und machte mich auf den Weg. Zum Glück hat Dad gestern Abend unser Auto vorbeigebracht.
    Gleich als ich hereinkam, sah ich Nell. »Da ist sicher irgendwas am Filtersystem kaputtgegangen«, meinte sie. »Wir versuchen mal, jemanden aufzutreiben, der es reparieren kann. Wahrscheinlich können wir von Glück sagen, dass es erst jetzt passiert ist. Ohne ordentliche Wartung gibt jede Technik irgendwann ihren Geist auf. Es ist ein Wunder, dass die Stromversorgung immer noch funktioniert.«
    Jetzt müssen wir das Wasser also immer abkochen, bevor wir es trinken können. Ich brachte den ganzen Vormittag damit zu, die größten Töpfe aus der Krankenhausküche vollzuzapfen, den Inhalt zum Kochen zu bringen und anschließend das immer noch braune, aber immerhin sichere Trinkwasser in die Krüge zu füllen, die einer der Freiwilligen irgendwo gefunden hatte. Je mehr sie zur Hand haben, umso besser. Das schien mir eine einfache Möglichkeit zu helfen.
    Nachdem ich den letzten Krug gefüllt hatte, machte ich mich auf die Suche nach Nell, um sie zu fragen, was sie nun mit all den Gefäßen anfangen wollte. Ich hatte sie gerade in der Eingangshalle entdeckt und rief ihren Namen, als die Fahrstuhltür aufging und ein Mann mit zottigen grauen Haaren herauskam, der eine überdimensionale Transportliege vor sich herschob.
    Darüber war ein Tuch ausgebreitet, das allerdings nicht ganz ausreichte, um die Wölbungen und Ausbuchtungen darunter ganz zu verdecken. Füße und Ellenbogen, Schultern und Köpfe. Ein Berg von Leichen. Mir wurde ganz übel, als der Mann mit quietschenden Rädern an mir vorbeischob. Die Patienten in der Halle verstummten. Als ich endlich den Blick wieder abwenden konnte, stand Nell neben mir.
    »Wo bringt er sie denn hin?«, fragte ich.
    Sie legte ihre Hand auf meinen zitternden Arm, und mir wurde auf einmal klar, dass ich eigentlich wissen wollte: Wo ist meine Mom jetzt?
    »Ich wünschte, wir könnten ihnen den gebührenden Respekt erweisen«, antwortete sie leise. »Aber nach der ersten Welle … Wir haben einfach nicht genug Freiwillige und viel zu wenig Zeit. Wir mussten den alten Steinbruch benutzen.«
    Der Steinbruch. Ich weiß noch, wie ich ihn als Kind erkundet habe, wie ich ausrutschte und mir die Hände auf den losen Steinen aufschürfte. Er gleicht einem großen leeren See. Abgesehen davon, dass er jetzt nicht mehr leer ist.
    Mir stockte der Atem,

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