Wir sind verbannt (German Edition)
vor dem Spiegel herum wie schon seit Monaten nicht mehr. Wir rannten zu dem Bärenfell zurück und ließen uns in die Sitzsäcke fallen. Während Meredith noch mehr Seifenblasen in die Luft pustete, beugte ich mich über den Gaskamin und versuchte herauszufinden, wie man ihn anstellen konnte.
Als ich hinter mir die Tür aufgehen hörte, nahm ich an, es sei Gav, der von der Tankstelle zurückkam. Ich drehte mich erst um, als Meredith ein erschrockenes Quieken von sich gab, und erstarrte auf der Stelle.
Quentin stand in der Tür.
Er sah ziemlich mitgenommen aus. Seine Haare standen in struppigen Borsten vom Kopf ab, so als hätte er sie mit einem elektrischen Rasierapparat und ohne Spiegel bearbeitet. Und bis auf einen breiten verschorften Kratzer auf der Wange war er ganz bleich. Das Leben in der Gang schien ihm nicht besonders zu bekommen. Aber ein höhnisches Grinsen bekam er immer noch hin.
»Bist du nicht diejenige, die mich dumm angemacht hat, weil ich was geklaut hab?«, fragte er Meredith. »Und was machst du da gerade?«
Merediths Antwort bestand nur aus einem weiteren Quieken. Sie rappelte sich schnell aus dem Sitzsack auf. Ich stürzte auf sie zu, doch Quentin war schneller. Er hechtete nach vorn, packte ihren Arm und drehte ihn ihr auf den Rücken. Sie wimmerte und wurde anschließend ganz still.
Quentin sah mich an. »Ich hab gehört, du hattest das Virus«, sagte er. »Und sie haben dich geheilt.«
Ich musste nicht lange überlegen, woher er das wohl wusste. Der Typ mit der Schrotflinte hatte ja nur erzählen brauchen, dass er mit einem Mädchen mit dunkler Haut gesprochen hatte, und schon reduzierten sich die Wahlmöglichkeiten auf exakt eines.
Ich hatte mich ja schon früher unwohl und fehl am Platz gefühlt, aber in diesem Moment wünschte ich mir zum ersten Mal so richtig, ich hätte dieselbe Hautfarbe wie fast alle anderen auf der Insel.
»Ich hab’s überlebt«, erwiderte ich. »Aber sie haben mich nicht geheilt. Ich hatte bloß Glück.«
»Ja, klar«, antwortete er. »Die Tochter des Wissenschaftlers hatte zufällig bloß Glück.«
»Meine Mom ist daran gestorben «, sagte ich. »Glaubst du wirklich, wenn sie wüssten, wie man die Leute von dem Virus heilt, würden sie nicht allen helfen?«
Er zögerte einen Augenblick, während er Meredith noch immer am Arm hielt. Immerhin hatte er seinen Griff so weit gelockert, dass sie anscheinend keine Schmerzen mehr spürte. Aber sie war zu weit weg – wenn ich mich bewegte, würde er mich kommen sehen und ihr weh tun, bevor ich ihn erreichte.
Von einem Kind würde er allerdings nicht erwarten, dass es sich wehrt. Wenn Meredith es irgendwie schaffen würde, sich zu befreien, könnten wir schnell zur Tür laufen.
Ich vergewisserte mich, dass sie zu mir herübersah, und rieb mein eines Auge, wobei ich mir Mühe gab, dass es möglichst deutlich rüberkam, ohne unnatürlich zu wirken. Sie blickte mich unverändert mit ihren glänzenden angsterfüllten Augen an.
»Wann gedenken die von der Regierung denn endlich etwas mehr zu tun, als bloß mal ab und zu vorbeizufliegen?«, fragte Quentin und verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Wann holen sie uns hier raus?«
»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Sie warten ab, bis die Insel wieder sicher ist, und kein Mensch weiß, wann das sein wird.«
»Also lassen sie uns wahrhaftig einfach hier verrecken.«
Er sah mit düsterem Blick aus dem Fenster. Es war nicht abzusehen, ob ich noch eine bessere Chance bekommen würde. Also spreizte ich Zeige- und Mittelfinger zu einem V und zeigte damit auf meine Augen.
Diesmal verstand Meredith. Sie wandte den Blick von mir ab zu Quentin, der sich gerade wieder in meine Richtung drehte.
»Sie können uns ja nicht ewig hier allein lassen«, sagte ich und wiederholte damit die Worte, die man während der letzten Tage auch als mein eigenes Mantra hätte bezeichnen können. »Wir wissen bloß nicht genau, wie lange es dauert.« Ich hielt den Blickkontakt mit Meredith und nickte ihr so unauffällig wie möglich zu. Sie biss sich auf die Lippe.
»Die sollen verdammt nochmal bald kommen«, sagte Quentin mit anschwellender Stimme. »Einer meiner Kumpels ist krank, und er ist schon …«
Meredith wirbelte herum und stieß ihm die Finger in die Augen. Was dann kam, lief wie im Zeitraffer ab. Quentin ließ sie fluchend los, um sich ans Gesicht zu fassen. Ich zeigte auf die Tür, während ich selbst schon losrannte. Meredith stürzte direkt vor mir
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