Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben
Certaine, der es Spaß zu machen scheint, ihre Kunden »zurechtzustutzen, zu zerquetschen«, wie es in der Story heißt. Die meisten Menschen haben die Menge ihrer Besitztümer besser im Griff, und Ordnungsexperten machen in aller Regel nicht gleich Tabula Rasa. Doch der Autor berührt Aspekte, die fast jeder kennt: das Ansammeln von Sachen in jeder freien Ecke, die schwierige Entscheidung, welche Dinge man behält und welche nicht, die gemischten Gefühle, die einen beschleichen können, wenn man etwas weggibt.
Schritt für Schritt auf Distanz
Während Kapitel 1 den unfreiwilligen Verlust von Besitztümern beschrieb, soll es nun um den freiwilligen Abschied von Dingen gehen. Dabei ist freiwillig nicht mit einfach zu verwechseln. Es war schon davon die Rede, wie schwer es älteren Menschen fällt, sich von Dingen zu trennen, wenn sie in eine kleinere Wohnung oder ein Seniorenheim umziehen. Aber der Kampf um das Loslassen ist keine Frage des Alters. Auch jüngere Menschen verspüren Unsicherheiten und Zweifel, wie jeder weiß, der schon mal versucht hat, systematisch auszumisten. Soll ich den teuren Blazer, den ich nie anziehe, weil er zwickt, wirklich in die Altkleidersammlung tun? Wann ist der richtige Zeitpunkt, die alten Studienunterlagen, in denen so viele durchgearbeitete Nächte stecken, wegzuwerfen? Und will ich mich wirklich von dem alten Auto trennen, das immer mehr Zicken macht, an dem aber so viele schöne Erinnerungen haften?
Traditionell befassen sich Psychologen und Konsumforscher eher mit dem Erwerb und dem Besitz von Dingen. In den letzten Jahren allerdings ist auch das Loswerden von Gegenständen in ihr Blickfeld gerückt. In jüngster Zeit hat sich die Frage, warum es uns so schwerfällt, uns von Sachen zu trennen, sogar zu einem der am intensivsten diskutierten Themen im Grenzbereich von Psychologie und Wirtschaftswissenschaften entwickelt. Die Techniken reichen von klassischen Interviewstudien bis hin zu raffinierten Laborexperimenten und dem Einsatz von Magnetresonanztomografen.
Wie kommt man an Menschen, die darüber Auskunft geben, wie es ist, wenn man sich von bestimmten Habseligkeiten verabschiedet? Die Konsumforscherin Catherine Roster, die heute an der Universität von Missouri lehrt, kontaktierte vor ein paar Jahren Leute, die Verkaufsanzeigen aufgegeben hatten. Manche wollten im Zuge von Aufräumaktionen nur einzelne Gegenstände loswerden. Andere zogen um und hatten eine ganze Reihe von Dingen im Angebot, die sie nicht mehr brauchten. Wieder andere wollten ihren Hausstand radikal verkleinern oder gar eine Wohnung ganz auflösen. Roster lud 21 Leute im Alter zwischen 22 und 75 Jahren zu intensiven Interviews ein. Sie fragte nach der früheren Beziehung zu den aussortierten Dingen, den Gründen, aus denen man sie loswerden wollte, den dazu eingesetzten Strategien und den Gefühlen, die die Teilnehmer dabei empfanden.
Das zentrale Ergebnis der Gespräche: Gegenstände weggeben stellt weniger ein Ereignis, einen einzelnen Akt dar als vielmehr einen Prozess, in dem sich der Besitzer Schritt für Schritt von seinem Besitz löst. Es sei unmöglich den exakten Moment der Trennung festzumachen, betont Roster, denn genauso wie die Aneignung eines Gegenstandes Zeit brauche, passiere auch die »Enteignung« nicht von jetzt auf gleich. Es ist ein Prozess, der weder einfach ist noch gradlinig verläuft. »Sich von Gegenständen zu trennen«, so Roster, »kann langwierig und heimtückisch sein.« Die Forscherin hat drei Phasen mit jeweils ganz eigenen Hürden und Schwierigkeiten identifiziert:
◆ Distanzierung: Um einen Gegenstand loslassen zu können, muss der Besitzer zunächst einmal einen gewissen Abstand zwischen sich und der Sache schaffen. Das kann eine ganz reale, physische Distanz sein. Manche der Befragten hatten die Abschiedskandidaten über Jahre auf Dachböden, in Kellern, Gartenhäuschen oder Garagen gelagert. Andere hatten Sachen regelrecht versteckt oder an Orten im Haus untergebracht, an denen man selten vorbeikommt. Hierbei handelte es sich oft um Geschenke, die sie nicht mochten. Eine Teilnehmerin namens Shelley beispielsweise hatte einige Anstrengungen unternommen, das dreidimensionale Hirschgemälde, das sie von der Schwiegermutter geschenkt bekommen hatte, aus dem Blickfeld zu verbannen. Sie hasse das Ding, erzählte sie im Interview: »Ich habe noch niemals etwas so Scheußliches gesehen! Es wanderte von Zimmer zu Zimmer, aber immer an eine unauffällige Stelle. Am Ende
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