Wir sollen sterben wollen Todes Helfer Ueber den Selbstmord - Warum die Mitwirkung am Suizid verboten werden muss Warum der Staat mit dem neuen Paragraphen 217 StGB die Mitwirkung am Suizid foerdern will
Recht auf den selbstbestimmten Todeszeitpunkt identifiziert werden könnte. Die ständig wiederholte Rede vom »selbstbestimmten Sterben« oder gar vom »Sterben in Würde« ( Dignitas lautet der bereits erwähnte Name der bekannten Schweizer Sterbehilfeorganisation) sollte uns warnen. Während die tatsächlichen Freiheiten der Bürger eher geringer werden, redet man uns ein, ungeahnte Spielräume ausgerechnet beim Sterben hinzuzugewinnen.
In einem am 9. August 2001 in der Illustrierten Bunte erschienenen Interview mit dem Schriftsteller Martin Walser, das unter der Überschrift »Am Ende geht der Dichter baden« stand, fand sich die folgende, für unser Thema aufschlussreiche Passage:
Paul Sahner: Herr Walser, ziemlichen Wirbel löste ein Gespräch aus, das wir vor drei Jahren führten. Sie sprachen damals ganz offen über Selbstmord, sagten wörtlich: »Ja, ich finde es toll. Ich möchte nicht eines natürlichen Todes sterben, weil der natürliche Tod der schlimmstmögliche ist.«
Martin Walser: Ich hätte das nicht sagen sollen.
Paul Sahner: Hat sich Ihre Einstellung denn geändert?
Martin Walser: Darum geht es doch gar nicht. Aber die Reaktionen waren heftig. Das hat mich erschreckt. Ich wollte doch niemanden in seiner eigenen Existenzverwaltung antasten, als ich sagte, man sollte das Sterben selbst in die Hand nehmen.
Paul Sahner: Bleiben Sie dabei?
Martin Walser: Jetzt belassen wir es mal damit. Vielleicht kommt eine Zeit, wo ich über nichts lieber spreche als darüber. Das ist ja denkbar.
Martin Walser hatte in dem ihm vorgehaltenen Zitat aus dem Jahre 1998 implizit einen sehr hohen, vielleicht den höchsten Leitwert unserer westlichen Zivilisation in der sogenannten »Postmoderne« anklingen lassen, nämlich die absolute Autonomie des freien Individuums, die zuletzt in der souveränen Entscheidung über den Zeitpunkt des eigenen Todes ihren Ausdruck finden soll: Man wolle nicht eines natürlichen Todes sterben, weil der natürliche Tod der »schlimmstmögliche« sei.
Die verführerische Idee, autonom über den eigenen Tod verfügen zu können, hat allerdings einen nicht unerheblichen Schönheitsfehler: Zum Zeitpunkt seines damaligen Interviews erfreute sich der damals 71-jährige Schriftsteller, der im März 2012 bereits seinen 85. Geburtstag feiern konnte, offenbar guter Gesundheit, ein Zustand, in dem es sich leicht und souverän über das in ungewisser Zukunft und hoffentlich in weiter Ferne liegende Lebensende spekulieren lässt. Wenn es jedoch wirklich ernst wird, sehen die Dinge meist ganz anders aus.
Pflegeheim oder Krematorium – Wohin mit Oma?
Ein weiteres Schlaglicht: »Wohin mit Oma?«, fragte die Titelgeschichte des Wochenmagazins Der Spiegel am 9. Mai 2005, in der über den Pflegenotstand in Deutschland berichtet wurde. Ein Leser merkte dazu im folgenden Heft an: »Gerade weil Ihr Beitrag fair und realistisch ist, bleibt wohl nur eine Konsequenz: lieber rechtzeitiger Abgang als die Beisetzung in einem Altersheim.« Dieser Leser hatte die im Artikel selbst gar nicht ausformulierte Hintergrund-Botschaft offenbar verstanden und seine resignierende Schlussfolgerung daraus gezogen.
Ein weiteres, zufällig herausgegriffenes Beispiel für die in unserer Gesellschaft inzwischen offenbar allgemein akzeptierte, geradezu feindselige Einstellung gegenüber Pflegeheimen illustriert ein Artikel aus der Zeitung Bild vom 8. November 2008: Kurz vor dem Tod ihres nach einem Schlaganfall drei Wochen lang komatösen 68 Jahre alten Ehemannes, des Schauspielers Michael Hinz, trat die mit ihm seit 40 Jahren verheiratete 64-jährige Schauspielerin Viktoria Brams ans Krankenbett und sprach zu ihm: »Du willst doch nicht ins Heim, oder?« Der gewünschte Erfolg stellte sich alsbald ein, wie die Witwe Bild berichtete: »Ich habe so gehofft, dass er mich im Koma hört. […] Ich bin mit ihm gemeinsam in seinem Zimmer eingeschlafen, doch er ist nicht mehr aufgewacht.« 16
»Sei gesund und fit – oder stirb wenigstens rasch!« So könnte man jene inhumane Alternative in einem knappen Satz zusammenfassen, die – als »Selbstbestimmungsrecht« verpackt – den älter werdenden Menschen Tag für Tag auf mehr oder weniger subtile Weise nahegebracht wird. Und das hat Folgen: Nach einer vom Institut für Demoskopie in Allensbach im Jahre 2008 durchgeführten repräsentativen Umfrage wäre die Mehrheit der deutschen Bevölkerung für die Legalisierung der nach Paragraph 216 StGB strafbaren »Tötung auf
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