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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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vornewegmarschieren. Der Betriebsobmann liebte solche Auftritte. Bastian grinste in sich hinein: Der mächtige Vertreter Mahlmanns, »Alter Kämpfer« und Parteimitglied seit 1928, hatte es weit gebracht. Er konnte ihn, Bastian Frei, Lehrling im dritten Ausbildungsjahr und Hitlerjunge wider Willen strammstehen lassen, solange es ihm passte.
    In der Werkshalle empfing Bastian dröhnender Krach. Stahl schlug auf Stahl. Hämmer, die auf Metall schlugen, das Kreischen der Sägen, das Ächzen der Laufkatze und das Zischen der Schweißapparate. Das war der Lärm, den er mochte. Von Montag bis Samstagmittag. Und dann raus ins Grüne. Die Freunde sehen. An einen See, weg aus der Stadt, raus aus dem Trubel. In der Sonne liegen, durch den Regen wandern. Das war die Stille, die er brauchte.
    Frericks fasste ihn grob an der Schulter und schob ihn quer durch die riesige Werkshalle und die Eisentreppe hoch zu Mahlmanns Büro. Von der Empore aus hatte Mahlmann die ganze lichtdurchflutete Halle im Blick. Er war Bastians Meister und Ausbilder gewesen. Hart, aber gerecht. Vor allem war er ein wirklicher Fachmann. Ein Handwerker. Ein Könner. Bastian lernte gerne bei ihm. Auch später, als Obmann, tauchte er immer wieder in seiner alten Halle auf. Er konnte die Finger nicht von den Schraubstöcken lassen.
    Ihm hatte Bastian die Lehrstelle zu verdanken. 1941 war er aus der Schule entlassen worden. Er wollte unbedingt zu Ford. Er hatte die Aufnahmeprüfung bestanden, eine Lehrstelle hatte er nicht bekommen. Vielleicht lag es daran, dass sein Vater im KZ Eschwege saß. Vielleicht auch daran, dass Bastian längst unehrenhaft aus der HJ ausgeschlossen war. Er hatte dann ein paar Monate bei Ford als Page im Empfang gearbeitet und in einer weißen Uniform feine Herrschaften zu den Büros geführt, die Türen aufgehalten, die Aschenbecher geleert und die Kaffeetassen gespült. Mahlmann hatte sich schließlich für ihn eingesetzt. Er kannte seinen Vater. Von früher, wie es hieß. Er half Bastian, wo er konnte. »Wegen deines Vaters«, wie er sagte. Später hieß es: »Trotz deines Vaters.«
    »Der Hauptsturmführer ist schon ganz gespannt, was du ihm zu erzählen hast«, sagte Frericks.
    Ein letzter, derber Stoß ließ Bastian stolpern. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er vor der braunen Metalltür stand. Zögernd klopfte er an.
    »Herein«, tönte Mahlmanns tiefe, kräftige Stimme. Bastian betrat das Büro. Er knallte die Hacken zusammen und hob den rechten Arm: »Heil Hitler.«
    Mahlmann erwiderte den Gruß. Dann lehnte er sich in den Sessel und sah Bastian über den Rand seiner Brille an. »Ich habe von deiner Festnahme gehört, Bastian. Wann fängst du endlich ein ordentliches Leben an? Du hast einen schönen Beruf und arbeitest bei Ford . Lass die Herumtreiberei mit diesen Edelweißpiraten. Das ist kein Umgang.« Sein Ton war streng.
    Frericks verzog das Gesicht. Bastian sah ihm an, dass er innerlich kochte. Manchmal wünschte er sich, dass Mahlmann anders mit ihm umging. Jede Nettigkeit musste er ausbaden, hinterher, wenn Frericks ihn an die Kandare nahm.
    Mahlmann schob die Papiere auf seinem Schreibtisch hin und her. Das Lineal nahm er in die rechte Hand. Das konnte ziehen, wenn man damit auf die Finger bekam. Es war aus Metall mit einer Gummikante. Instinktiv schob Bastian seine Hände hinter den Rücken.
    »Sie haben dich wieder freigelassen«, fuhr Mahlmann ruhig fort. »Ich habe mit diesem Oberkommissar gesprochen. Die Gestapo hält dich für einen, der mehr weiß, als er zugibt. Einen Drahtzieher und Rädelsführer. Das ist kein blauer Dunst, wie dieser Oberkommissar sagte. Mit einem Bein bist du schon in Brauweiler, dann droht das Wehrertüchtigungslager. Und weiter? Jugendschutzlager? « Das Lineal wanderte in die linke Hand.
    Bastian wusste nicht, was er sagen sollte, ob er überhaupt etwas sagen sollte. Also hielt er lieber die Klappe.
    »Deine Mutter hat ein schweres Leben. Wegen deines Vaters und jetzt auch deinetwegen.«
    Das Lineal landete auf der grünen Schreibunterlage.
    »Du weißt, dass du dich staatsfeindlich verhältst. Verrat an Führer, Volk und Vaterland. Wir sind im Krieg. Die Volksgemeinschaft steht fest zusammen und kämpft an allen Fronten. Und du tanzt aus der Reihe.«
    Mahlmann erhob sich aus seinem Sessel und kam auf ihn zu. Bastian hielt erschrocken die Luft an. Mahlmanns Stimme bekam einen scharfen Unterton. »Ich belasse es heute bei einer Verwarnung. Fällst du noch einmal auf, leistest du

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