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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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es schlimm?«, fragte sie. »Haben sie dich schikaniert?« Sie sah ihn an, als suchte sie nach neuen Verletzungen, neuen Wunden.
    »Nein, nein«, beruhigte Bastian sie und lächelte. »Natürlich kam erst die ganze Leier mit ›Verrat an Führer, Volk und Vaterland‹, aber dann hat Mahlmann mich zu Jupp Jablonski in die Fahrzeugmontage gebracht. Jupp ist in Ordnung und die Arbeit macht Spaß. Mahlmann hat gesagt, ich könne meine Gesellenprüfung vorziehen. Er hat meine Arbeit gelobt. Aber ich habe Frericks am Hals. Trotzdem habe ich mich richtig gut gefühlt. So gut wie schon lange nicht mehr.«
    Seine Mutter sah ihn ungläubig an. Erst verprügelten sie ihn im EL-DE- Haus und dann das? Sie hatte ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber wohlmeinenden Angeboten entwickelt. Besonders wenn sie von Nazis kamen. Meistens war ein Haken dran. Aber das sagte sie nicht laut, sondern ließ Bastian seine Freude.
    Er aß mit riesigem Appetit zwei Brote. Eine Weile sah sie ihm schweigend zu. »Ich habe eine Nachricht für dich. Von Hotte«, unterbrach sie die Stille.
    Bastian hob den Kopf. »Und?«
    »Du weißt, dass du alles aufs Spiel setzt, was dir heute Morgen angeboten wurde, wenn du dich nicht von den Edelweißpiraten fernhältst?«
    »Was ist mit Hotte?«
    »Er hat mich in der S-Bahn abgepasst. Ich soll dir sagen, dass ihr euch heute in der Kolonie trefft. Wegen Zack, und um zu beraten, wie es weitergeht. Ich soll es dir ausrichten, hat er gesagt, unbedingt.«
    Bastian schielte nach seinen Schuhen. Dass sie sich im Schrebergarten treffen wollten, passte ihm nicht in den Kram. Aber Hotte hatte bestimmt gute Gründe.
    »Mach dir keine Sorgen, Mama. Die Nazis müssen mir erst mal etwas nachweisen, und das können sie nicht.« Natürlich würde er hingehen, denn er hoffte, endlich etwas über Zack zu erfahren.
    Seine Mutter schwieg. Sie gab ihm ein fein säuberlich aufgerolltes, mit einer blauen Schleife zugebundenes Blatt Papier.
    »Das hat Elli für Paul gemalt. Es ist ein Geschenk. Ich sollte es dir geben, wenn du nach Hause kommst.«
    Bastian schnürte seine Schuhe und schob sich das Papier, ohne es anzusehen, ins Hemd.
    »Wie der Vater«, murmelte sie. »Du hast den gleichen Dickschädel wie dein Vater.«
    Und in ihrem Gesicht lag nicht nur Kummer. Nein, eine Spur von Stolz lag auch darin.
    Sternenklar und wolkenlos stülpte sich der Himmel über die Stadt. Bastian trat auf den Gehweg und wunderte sich. Das war eigentlich Bomberwetter. Doch sie kamen nicht. Seit Tagen war es ruhig.
    Gelegentlich überflogen einzelne Maschinen Köln. Nachts hörte man ihr Brummen. Am Tag sah man eine winzige Rauchfahne am Himmel. Sie kamen, wann sie wollten, und blieben, solange sie konnten. Das bedeutete, dass die Amerikaner und die Engländer etwas Großes vorhatten. Vielleicht so etwas wie den 1000-Bomber-Angriff vor ziemlich genau einem Jahr im Mai. Damals hatte um Mitternacht das Geheul der Sirenen eingesetzt. Zwar hatten Hunderte Scheinwerfer ihre Strahlen gebündelt und die Flak hatte Dauerfeuer geschossen, doch dann waren die Flakstellungen und Scheinwerferbatterien das erste Ziel der Bomber gewesen. Erst danach waren sie über die Stadt hergefallen. Pausenlos hatte es gekracht. Sprengbomben, Phosphor, Minen ... Genau neunzig Minuten lang. 21.000 von den 200.000 Wohnungen waren danach zerstört. 5400 Wohnhäuser lagen flach. Die Stadt hatte gebrannt. Kirchen, Fabriken, Denkmäler, Menschen und Tiere. Stundenlang. Wenn Bastian die Augen schloss und zurückdachte, hatte er den Brandgeruch wieder in der Nase. Fast 500 Tote gab es zu beklagen, 5000 Verwundete. 150.000 Menschen hatten die Stadt verlassen. Die Altstadt war wie umgepflügt.
    Ehrenfeld hatte dagegen nicht viel abbekommen. Die Freis hatten Glück gehabt. Ihre Wohnung war kaum beschädigt worden. Nur die Scheiben waren zerbrochen und alles war voller Staub und Dreck. Trotzdem schauderte es Bastian, wenn er nur daran dachte. Endlose Stunden schierer Todesangst.
    Und jetzt, als er durch die Nacht zum Schrebergarten lief, überkam ihn wieder dieses unbestimmte, mulmige Gefühl, das nichts Gutes verhieß. Man konnte sich nicht vorbereiten. Nur den Kopf einziehen, wenn es so weit war, und beten, dass es schnell vorüberging.

    IM
    GEBÜSCH
    NEBEN dem Tor glomm orangerot Zigarettenglut auf. Bastian blieb stehen. Ein leiser Pfiff. Freddie zeigte sich. Er hielt Wache.
    »Hotte ist schon da und Franzi auch. Sieh zu, dass mich jemand ablöst, wenn es spannend wird. Vielleicht

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