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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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eine alte Militärpistole Luger P08 mit einem Reservemagazin und ein paar Schachteln Munition. Außerdem Herrn Wutz. Eine Handpuppe, die erzählen konnte. Geschichten, die wirklich passiert waren oder geschehen würden. Geschichten, die man sich nicht ausdenken konnte, die sein Vater aber auswendig kannte.
    Herr Wutz hatte das Gesicht eines grimmigen Bären mit liebenswürdigen Knopfaugen. »Ein weises Wesen bin ich«, sagte er immer mit einem freundlichen Stolz in der Stimme. »Dein Herr Wutz. Stets zu Diensten.«
    Der Vater hatte das immer gesagt mit einem dröhnenden Bariton, der nicht von ihm zu kommen schien, und einem Augenzwinkern, das zu ihm passte. Dann stieß er seinen Zeigefinger durch den Gummiring in den Hals und in den hohlen Kopf des Bären. Im linken Ohr trug Herr Wutz einen Ring aus Mutters Schatzkästchen und um den Hals ein rotes Tuch. »Das macht ihn verwegen«, sagte Mama und blickte zu Papa. Und dieser Blick verriet alles über seine Eltern. Daumen und Mittelfinger des Vaters verschwanden in den Ärmeln der gelben Stoffhülle. Schon lebte Herr Wutz, nickte und erzählte mit bärenmäßiger Stimme Geschichten. Er konnte sogar Gedichte aufsagen und gleichzeitig Stierkämpfe mit Messer und Gabel vorführen. Jetzt lag Herr Wutz eingepackt und geborgen in Pauls Rucksack.
    Auch das Geschichtenbuch lag dort. Der Vater hatte immer wieder die Geschichte von den zwei Juden im Gefängnis erzählt.
    Der eine schlief meistens. Fragte ihn der andere, warum.
    »Um Kraft zu sammeln, die werde ich brauchen.«
    »Aber hast du gar keine Angst?«
    »Nein, die Zeit der Angst ist vorbei. Jetzt beginnt die Zeit der Hoffnung.«
    Und Vaters Augen hatten bei dem Wort »Hoffnung« immer wieder diesen wunderbaren Glanz gehabt.
    Paul fütterte den Hofhund, der an der Kette lag. Das gelb gefleckte, struppige Fell erinnerte eher an eine blutrünstige Hyäne und nicht an den besten Freund des Menschen. Der Hund hasste ihn. Ihre Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Seit sie sich kannten, machten sie einen Bogen umeinander. Mitnehmen konnte er ihn nicht. Und hierlassen? Bei den neuen Eigentümern, die jeden Augenblick auftauchen konnten, um sich breitzumachen? Wahrscheinlich würden sie den Hund erschlagen.
    Als Paul das heftig knurrende und vor Wut schäumende Tier losband, versuchte es nach seiner Hand zu schnappen. Dann stand der Hund unschlüssig da, glotzte Paul an, fletschte die Zähne, schielte zum Waldrand hinüber und zurück zu ihm, dem Jungen, mit dem er nichts anfangen konnte. So lange, bis Paul genug hatte und mit Steinen nach ihm warf. Das Tier verschwand jaulend im Dickicht des Unterholzes.
    Eikamps Hauptstraße schien menschenleer, als er das Hoftor hinter sich schloss. Ein malerisches, ödes Fachwerkkaff, in dem Paul nichts mehr verloren hatte. Irgendwo jaulte der Hund.

    DER
    KRIEG
    WAR ihm auf den Fersen. Die Arier wollten Paul in den Osten verfrachten. Und das garantiert nicht zu seinem Vergnügen. Er hatte sich vorgenommen, vorsichtig zu sein, unauffällig zu bleiben und sich nicht erwischen zu lassen. Drei wichtige Voraussetzungen, um zu überleben.
    Jetzt stiefelte er die Wipperfürther Straße hinunter. Bergisch Gladbach, Delbrück. In Mülheim roch er den Fluss, die träge graue Masse, die das Tal hinunterkroch. Er atmete den Geruch der Stadt. Holzkohle und Teer mischten sich mit dem modrigen Mief abgestandenen Wassers.
    Die Nachmittagssonne hing bleich über dem Rheintal. Er erreichte Deutz und die Hindenburgbrücke. Dunst lag wie eine Glocke über den ausgebrannten Ruinen der Kölner Altstadt. Trotzig reckte sich die Silhouette des Doms über die Trümmerlandschaft. Die Luft stand still, kein Windhauch regte sich. Paul schwitzte. Den Mantel hatte er längst als loses Bündel über den Rucksack geworfen. Er hatte Durst. Und Hunger. Gegen den Durst konnte er nichts machen. Zwischen den Pylonen der Brücke lehnte er sich an das Geländer und kramte nach den Zigaretten. Overstolz, filterlos. Das Hungergefühl verschwand, und zurück blieb ein leichter Schwindel, der sich verstärkte, wenn er den Rauch wegblies.
    Paul hatte sich entschlossen, in dieser Stadt unterzutauchen. Er konnte eins und eins zusammenzählen. Auf dem Land würde er herumirren wie ein bunter Hund. Sie würden ihn erwischen. Früher oder später. Todsicher. Da würden ihm das Geld und die Pistole im Rucksack auch nicht weiterhelfen.
    Der Deutzer Hafen, mit seinen Binnenschiffen, Kähnen und Schleppern, wäre eine andere Möglichkeit

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