Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
eingeladen zu werden.«
    »Ach, komm schon. Bisschen Landluft schnuppern tut uns zur Abwechslung mal ganz gut. Du kannst hier pennen. Gitarre spielen. Radio hören. Sauerkraut ist auch noch da.«
    »Da kann ich doch unmöglich Nein sagen. Aber wie es genau ablaufen wird, hat dir der Nazi nicht verraten.« Ralle kippte seinen Schemel nach hinten, bis sein Rücken an der Wand lehnte, und verschränkte die Arme hinterm Kopf.
    Paul zuckte nur mit den Schultern.
    »Also gut. Aber ich glaube, ich nehme vorsichtshalber meine Pistole mit«, entschied Ralle schließlich.
    Paul stieß Ralle am nächsten Morgen mit der Fußspitze an und weckte ihn.
    Schnell schrieb er noch einen Gruß an Franzi und legte ihn auf den Tisch. Das tat er immer. Franzi sollte sich keine Sorgen machen. Und er freute sich jedes Mal, wenn sie am Abend schon auf ihn wartete.
    Lagusch stand im Hof. Er warf einen schlichten Kranz auf den Wagen. Mahonie und Heidekraut. Für Führer, Volk und Vaterland stand auf der Schleife. Ralle kroch auf den Futtersack für Hennes und zog eine Decke über sich. Es war kühl, der Himmel dicht bewölkt. Im Augenblick kroch aber noch kalter Nebel in Schwaden über die Wiesen.
    »Hoffentlich regnet es heute nicht«, sagte Lagusch und schlug den Jackenkragen hoch. »Erst mal zum Melatenfriedhof, Peter.«
    Paul schnalzte und Hennes zog los. Er kannte den Weg im Schlaf. Sie fuhren hufklappernd über die Widdersdorfer und die Weisbergstraße, überquerten den alten Ehrenfelder Friedhof. An der Südseite von Melaten luden sie am Sarglager einen schlichten Holzsarg auf. Lagusch kramte noch herum. Paul hörte sein leises Fluchen.
    Ralle kraulte Hennes. »Hast du eine Idee, was wir hier auf dem Friedhof machen?«, fragte er Paul.
    »Ne, Ralle. Hab keinen blassen Schimmer.«
    »Mann, der tickt nicht richtig. Aber vielleicht fahren wir ja mit dem zu seiner eigenen Beerdigung. Guck ihn doch an. Der ist schon halb tot.«
    »Ralle, du hast ’ne Meise. Wie kommst du auf so was?«
    »Ich muss mal«, meinte Ralle nur. Er verzog sich hinter eine Hecke und tauchte im Gestrüpp unter.
    Lagusch trat aus dem Schuppen und hielt zwei zusammengelegte Kartoffelsäcke unter dem Arm. Er schloss die Bretterbude wieder ab, kippte die Regentonne an und schob mit dem Fuß den Schlüssel darunter. Paul sah ihm aufmerksam zu. Lagusch schien das nicht zu interessieren. Er machte ein Alles-egal-Gesicht und kletterte auf den Kutschbock.
    »Von mir aus kann es losgehen. Nach Merheim«, sagte Lagusch. »Du weißt, wo das ist?«
    Paul nickte.
    Lagusch drehte seinen Kopf suchend nach hinten. »Wo ist denn dein Kumpel?«
    »Der musste mal. Hat wohl ein bisschen zu viel von dem Sauerkraut gefuttert.« Paul wies mit der Hand vage auf das weitläufige Friedhofsgelände.
    Lagusch grinste und zeigte seine kleinen Stummelzähnchen. »Ja, auf nüchternen Magen hält dich das Zeug ganz schön auf Trab. Sag nicht, dass der zu blöd ist, hier ein ruhiges Plätzchen zu finden.«
    Paul quälte sich ein Lächeln ab.
    »Na, ist auch egal. Wir haben Zeit.« Lagusch kramte in seiner Jackentasche und zog ein silbernes Zigarettenetui heraus. Er klappte es mit einer großspurigen Geste auf. »Hier, Junge. Probier mal. Sind echte Ägyptische.«
    »Mann, Lagusch. Die kosten doch ein Vermögen.«
    »Nimm ruhig. Sind genug da.« Aufmunternd hielt er ihm das Etui hin.
    Paul griff zu und gab Lagusch Feuer. Der sagte tatsächlich Danke. Paul wurde nicht schlau aus dem Mann, der da neben ihm auf dem Kutschbock saß, die Zigarette zwischen den Lippen hielt und seine Hände unter seinem Bauchansatz faltete.
    Sie hatten die Zigarette fast zu Ende geraucht, als Ralle auftauchte. Er kam nicht über den Weg, sondern geradewegs durch die Hecke. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und hielt den Blick gesenkt. Blass war er, und er hatte vergessen, die Hose zuzumachen. Wortlos kroch er auf das Fuhrwerk.
    »Was ist denn mit dir? Hast du Gespenster gesehen?«, fragte Lagusch.
    Ralle murmelte irgendetwas schwer Verständliches und robbte neben den Sarg.
    »Ist dir was auf den Magen geschlagen, Junge?« Lagusch klang wirklich besorgt. Er hielt Ralle die Zigaretten hin. Ralle nahm und sagte: »Danke.«
    Paul verstand überhaupt nichts mehr.
    Sie rollten gemächlich durch die Altstadt, über die Hohenzollernbrücke, wo man sie in aller Ruhe kontrollierte, durch Deutz, über die Kalker Hauptstraße nach Merheim. In einer Scheune am Ortsrand wurden sie schon von zwei schweigsamen Männern

Weitere Kostenlose Bücher