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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Ärmeljacke hinaus in den Regen.
    Paul holte die Adler aus dem Versteck und schob sie auf die Tischplatte. Er kämpfte mit den Buchstaben, suchte die Tasten mit einem Finger und hatte dabei die Zungenspitze zwischen den Lippen. Und immer wenn er es mit zwei Fingern versuchte, verhakten sich die Typenhebel.
    Über die Texte diskutierten sie nicht. Große Wortkünstler waren sie auch nicht. Sie verließen sich auf ihre Wut.
    Haut die braune Scheiße weg.
    Und: Nur ein toter Nazi ist ein guter Nazi.
    Große Buchstaben, wenige Worte. Fatz nannte das eine Marktlücke. Lange Flugblatttexte zu lesen, war sogar für den Finder gefährlich.
    Kurze, bündige Sätze, das war es. Genau wie ihre Parolen auf Wänden, auf Lokomotiven, in Straßentunneln.
    Zwanzig postkartengroße Flugblätter ließen sich außerdem schneller und gefahrloser verteilen. Man konnte sie liegen lassen, im Kino, in der S-Bahn, in der Straßenbahn. Und zwischen Zaunlatten klemmen. In Kirchenbänken verteilen oder in Gesangbücher stecken.
    Sie brauchten keine Druckerei. Die Schreibmaschine würde reichen.
    Es war weit nach Mitternacht, als sie sich trennten.
    Jeder trug einen kleinen Stapel Flugblätter unter der Kleidung.
    Am nächsten Tag erfuhr Hotte im St.-Franziskus-Hospital in der Schönsteinstraße, dass die Gestapo Billi verhaftet hatte.
    Zwei Tage später fand eine HJ -Streife Kerkermeister Föls halb tot in den Trümmern eines ehemaligen Tanzcafés. Jemand hatte ihm den rechten Arm, die Nase und mehrere Rippen gebrochen. Sein Gesicht war blutüberströmt, die Zähne waren eingeschlagen. Er konnte von Glück reden, dass die HJ -Streife ihn vor den Ratten entdeckt hatte.
    Am selben Abend bog Ziegen nach zwei Glas Kölsch in die Marzellenstraße ein. Auge um Auge war in großen weißen Buchstaben über seine Haustür gepinselt. Ziegen drehte sich wie von selbst um und sah: Zahn um Zahn stand auf der Hauswand gegenüber.

    DIE
    TAGE
    IM Wehrertüchtigungslager waren eintönig. Das Lager lag in einem weitläufigen, umzäunten Gelände auf einem alten Flugplatz unterhalb der NS-Ordensburg Vogelsang, in der eine Schulungsstätte der NSDAP untergebracht war.
    Im Lager trieben sie Frühsport, fassten Suppe und marschierten mit schwerem Gepäck. Sie robbten durch den Matsch und hoben einen Graben aus. Der Schrank hieß Spind. Bastian konnte einen Spaten präsentieren, salutieren und Meldung machen. Er war jetzt Teil einer Gefolgschaft und hatte Kameraden. Alles, was er in der Hitler-Jugend so gehasst hatte, bekam er jetzt in noch konzentrierterer Form. Sie hörten sich politische Vorträge an, saßen dabei in der Kantine auf langen Bänken aus Holz. An der Stirnwand hingen die Hakenkreuzfahne und ein Spruch ihres Befehlshabers. Treu leben – tapfer kämpfen – lachend sterben. Gesungen wurde auch. Bastian mochte die Lieder nicht.
    In den ersten zwei Wochen bekam er vier Strafen wegen Disziplinverstoßes. Sein Haar war zu lang, sein militärischer Gruß nicht zackig, sein Marschgepäck falsch gepackt. Und einmal hatte er mitten hineingegrinst in den Tobsuchtsanfall seines Truppführers, weil ihm hier alles so albern vorkam. Das hatte natürlich eine neue Strafe bedeutet, bei der Bastian nicht mehr lachte.
    Sie waren fünfzig Jungen aus allen möglichen Gegenden des Reiches. Bastian war der einzige Kölner. Das allein empfand er als Zumutung. Bastian unterhielt sich mit den anderen, erzählte aber nichts, weil er Angst hatte, ausgehorcht zu werden.
    Die Ausbilder waren kaum älter als er. Sie »schliffen« ihre »Zöglinge«, wie sie mit angeblich großem Sachverstand und wichtiger Miene verkündeten. Abends besoffen sie sich.
    Die anderen aus seinem Haufen interessierten Bastian wenig. Nur der Junge im Stockbett über ihm war ihm näher. Sie verständigten sich zunächst stumm. Warfen sich Blicke zu oder schüttelten manchmal unauffällig den Kopf. Er teilte Bastians Abneigung gegen den Stumpfsinn drumherum. Er kam aus Dortmund und erzählte schließlich stolz, dass er bei Hoesch in der Gießerei und an der Walzstraße arbeitete. Er wusste alles über Stahl und wie man ihn schmiedete. Die Ausbilder hätten ihn schikaniert. Denn er war ein Mischling zweiten Grades, wie er Bastian flüsternd gestand, und so nur beschränkt wehrwürdig.
    Die Kameraden mieden ihn, beschmierten seinen Spind mit einem Judenstern und lachten über ihre so spaßigen Einfälle. Für die meisten von ihnen war es eine Zumutung, mit so einem am Tisch zu sitzen, geschweige denn mit

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