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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Wachsoldaten Zack abknallten, hatte er da auch nur an sich gedacht und war er ihnen deshalb entkommen?
    Er spürte Jupp Jablonskis festen Griff auf seinem Unterarm und zuckte zusammen.
    »Das sind die Regeln, Bastian. Lauf, was das Zeug hält, und drehe dich nicht um. Kein Blick zurück. Der hilft dir nicht.«

    BASTIAN
    ATMETE
    AUS. Und wieder ein. Er spürte die Anspannung. Erst mal nur ein Kribbeln in der Magengegend. Ein Vorbote der Angst.
    Zwischen den Hallen in Deutz regte sich nichts. Fast wollte er glauben, er sei das einzige Lebewesen in diesem Gewirr aus Schienensträngen, Rampen, Schuppen und abgestellten Waggons. Aber er hörte von Ferne den Widerhall von Rangiergeräuschen oder auch von Ladeklappen, die auf- und zugeschlagen wurden. Dazwischen Hammerschläge. Kreischen, Quietschen, Scheppern. Und undeutliche Stimmen. Das Surren eines Verladekrans. Motorengeräusche. Aber alles schien weit entfernt und seltsam gedämpft.
    Das machte noch keine Angst. Nein, dachte Bastian. Dieses Gefühl presste ihn nicht zusammen oder drohte ihn zu ersticken.
    Und dann war da ja noch Jablonski, der mit traumwandlerischer Sicherheit durch das Labyrinth der Bahnanlagen turnte. Sie trugen Rucksäcke. Jupp kannte die Laufwege der Posten, er wusste, welche Unterstände besetzt waren und wo in dieser Nacht gearbeitet wurde. Jablonski wollte nicht in die Hallen und nicht in die Nähe der Rampen. Er suchte auf den Abstellgleisen nach ihrem Zug. Das musste Bastian Jupp lassen. Der kannte sich aus.
    Er spürte eine Hand auf seinem Arm.
    »Da sind sie. Siehst du?«
    Bastian schüttelte den Kopf.
    »Da, die Rungenwagen, Gattungsbezirk Ulm. Steht auf dem Schild. Zähl mal. Zwölf oder vierzehn müssen es sein. Warte. Ich sehe eben nach der Zugnummer. Ist sicher unser Zug. Komm.«
    Sie schlichen gebückt weiter, tasteten sich zwischen den Gleisen am Bahndamm entlang. Langsam kroch ein Güterzug vorbei. Sie sahen den Lokführer und den Heizer. Sie lehnten aus dem Fenster des Fahrstandes und grüßten mit einem Kopfnicken. Auf dem letzten Wagen stand ein Bremser. Er hielt eine Lampe mit einem rot leuchtenden Licht in der Hand, machte damit langsame, rudernde Bewegungen bei ausgestrecktem Arm.
    »Bleib hier«, flüsterte Jablonski. Er war nicht mehr als ein Schatten. »Mal sehen, wo ich das Carborundum verstecken kann. Gib mir deinen Rucksack. Wenn du jemanden siehst, nimmst du einen Stein und wirfst ihn in meine Richtung. Aber sei vorsichtig. Am besten, du bleibst unter dem Zug.«
    Niemals, dachte Bastian, niemals werde ich wieder auf einem Bahndamm stehen und einen Stein werfen. Da war es wieder, sein Herzklopfen.
    Mit knirschenden Schritten entfernte sich Jablonski. Schottersteine rutschten unter seinen Schritten.
    Bastian war jetzt allein. Er fröstelte und lauschte angestrengt. Drei oder vier Gleise weiter kam ihm das auf und ab tanzende Licht einer Taschenlampe entgegen. Zwei Schatten stolperten über die Schwellen und unterhielten sich. Sie redeten, lachten leise und entfernten sich. Bastian zuckte zusammen. Ein riesiger Schatten glitt behäbig an ihm vorbei. Ein Güterwaggon, der rangiert wurde. Er hatte ihn nicht kommen sehen, weil er die Männer auf dem Gleis beobachtet hatte. Jupp hatte recht. Unter dem Zug war er am sichersten.
    »Alles klar. Komm.« Jablonski zeigte Bastian den leeren Rucksack und führte ihn aus dem Gewirr der Gleisanlagen hinaus.
    Ruhelos wälzte sich Bastian im Bett. Dabei war er todmüde. Für einen Augenblick hatte er das Gefühl gehabt, endlich das Richtige zu tun. Etwas, was den Krieg verkürzte. Gleichzeitig fühlte er, wie er die Kontrolle verlor, wie die Dinge sich von selbst weiterentwickelten und in Bewegung kamen. Wie er mitten hinein geriet und mitgerissen wurde. Bastian stand auf, suchte eine Zigarette und stellte sich rauchend ans Fenster. Draußen lag eine mondlose, pechschwarze Nacht. Nebenan in der Küche seiner Mutter saßen der Kriegswichtige und seine Gemahlin und lauschten einer Radioübertragung.
    Er war einfach nur zum Umfallen müde. Morgen war Montag, der erste der drei Verladetage.
    Jablonski trank Muckefuck aus der Thermoskanne, und Bastian lag auf dem Rücken, den Kopf gegen die Stirnwand des schaukelnden Lkws gestützt, und betrachtete Köln, wie es an ihm vorbeizog. Wie im Kino, dachte er. Wie in einem schlechten Film. Wenn er so in der Tiefe des Lastwagens saß, konnte er nur die Giebel der Häuser sehen, wenn sie überhaupt noch standen. Alles andere war ausgeblendet. Der

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