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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Pfennige.
    Es war schon weit nach Mittag und um diese Zeit war hier wenig los.
    »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll«, begann Paul zögerlich, »aber ich bin nun ganz offiziell ein Gestapospitzel.«
    Bastian sah ihn an, als hätte er einen Idioten vor sich.
    Paul musste lachen. »Nun guck doch nicht so. Ich finde meine Karriere nur schlüssig: vom Sohn eines jüdischen Kohlehändlers zum Edelweißpiraten, von da zum Sohn eines Sturmführers und schließlich zu Ziegens Leib- und Magenspitzel. Da gibt’s doch nichts zu meckern.« Und er erzählte von seinem Gespräch mit dem Oberkommissar.
    »Junge, Junge, während ich mit allem, was ich tue, auf die Schnauze falle – EL-DE- Haus, Wehrertüchtigungslager, Osteinsatz, die ganze Palette –, fällst du immer wieder weich auf die Füße. Respekt, Respekt. Und Ziegen vertraut dir?«
    »Nur kein Neid, mein Freund. Ich habe keine Ahnung, ob er mir traut oder nicht. Ich glaube, der misstraut jedem, sogar sich selbst. Aber er plaudert mit mir. Er sagt, dass er über dich an Bomben-Otto ranwill. Die scheinen richtig Schiss vor dem zu haben.«
    »Über mich? Da ist er aber schlecht informiert.«
    »Ja, siehst du? Und das will er ändern. Aber eigentlich ist das auch schon egal, denn Ziegen will uns alle. Auch einen P. Stern. Er hat mir den Rucksack gezeigt.«
    »Den von der Flugblattaktion?«, warf Bastian ein.
    »Ja. Und da war noch etwas ...« Paul runzelte nachdenklich die Stirn. »Ziegen hat mir meine Handzettel, meine Flugblätter unter die Nase gehalten. Ich habe an die lieben Mitmenschen gedacht, denen wir mit unseren Sprüchen auf die Sprünge helfen wollten. Und die hatten wohl nichts anderes zu tun, als sie pflichtschuldigst bei der Gestapo abzuliefern. Ich glaube, das ist es, was mich so wütend macht. Und was mich enttäuscht. Immerhin riskiere ich mein Leben, wir alle zusammen. Ich habe das mal im Kopf überschlagen. Fünfzehn von zwanzig Flugblättern sind im EL-DE- Haus gelandet. Zwei wahrscheinlich vom Winde verweht. Zwei sind unbeachtet weggeworfen worden. Bleibt ein Flugblatt. Ein einziges hat es geschafft. Unter Erfolg stelle ich mir etwas anderes vor.«
    »Du bist jetzt kleinlich, Paul. Überleg doch mal: Die Flugblätter, die bei der Gestapo gelandet sind, haben den Laden auf Trab gehalten. Stell dir nur all die Schlapphüte vor, die ausgeschwärmt sind, um den gefährlichen Terroristen zu fangen, der die fabriziert hat. Und haben sie dir nicht geholfen, Karriere zu machen? Immerhin bist du jetzt Spitzel.«
    »Toll. Danke schön.«
    »Ja, ist doch so. Und alle sind gelesen worden. Sogar von der Gestapo.«
    »Wir bringen uns ständig in Gefahr und erreichen nichts.«
    »Jetzt sag ich dir mal was: Wenn nur einer unser Flugblatt liest, mitnimmt und darüber nachdenkt, ist mir das schon genug. Es sind die kleinen Aktionen, die kleinen Steinchen – erinnerst du dich an den Wolf und die Steine?« Bastians Augen funkelten bei diesen Worten wütend.
    Bastians Wut verflog rasch. »Jetzt, wo Mutter, Oma und Elli aus der Stadt raus sind, bin ich wieder dabei. Halte deine Augen und Ohren offen, Paul. Es ist immer gut zu wissen, was die Gestapo vorhat. Die Verbindung zwischen uns darf nicht abreißen. Wir sollten uns häufiger treffen.«
    »Aber nicht in der Gärtnerei«, meinte Paul. »So langsam glaube ich nämlich, Karlu ist nicht der Einzige, der mich beobachtet.«
    »Lagusch? Oder Werner?«, flüsterte Franzi erschrocken.
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht stimmt es ja auch nicht und ich sehe schon Gespenster.« Paul grinste.
    »Du hast recht. Die Gärtnerei ist kein guter Ort. Vor allem nicht, falls einer von uns untertauchen muss. Du erinnerst dich an das Gestapofeld? Der Platz unter den Birken? Jeden Samstagabend, so ab acht?«
    »Und wenn einer nicht kommen kann, hinterlassen wir Nachrichten im Sarglager auf Melaten. Der Schlüssel liegt unter der Regentonne.«
    »Ja. Wir müssen es versuchen. Ralle und Fatz sollten das auch wissen. Jeden Samstag ab acht, Leichenfeld der Gestapo. Das ist auch ein guter Ort, um sich mit neuer Wut aufzuladen.«

    INZWISCHEN
    HATTE
    BASTIAN Post aus Pfronten bekommen. Es ging allen gut. Mutter bat ihn jetzt nicht mehr, nachzukommen. Sie schrieb ihm, dass sie reichlich zu essen hätten und dass Elli das Leben auf dem Hof genoss. Sie unterhielt das halbe Dorf mit Geschichten von Herrn Wutz. Mutter schwärmte von der Freundlichkeit der Menschen. Zu allem anderen sagte sie kein Wort. Dass sie seinen Vater nicht mehr erwähnte,

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