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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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nicht mehr das Hirn darüber, ob ich ein Ungeheuer bin oder nur ein ganz normaler Typ mit einem anomalen Beruf.
    Was ich in all der Zeit aber herausgefunden habe, ist, dass mir Frauen gefallen, die etwas Sanftes an sich haben, sogar noch in den Momenten der Leidenschaft.
    So wie womöglich Yolanda.
    Frauen mit Herz.
    So wie Leticia, bevor sie so verbittert wurde – zumindest hielt ich sie lange für so eine Frau.
    Bei Sofía hingegen entdecke ich hinter ihrem Lächeln die Kälte eines Menschen, der sich nicht durch irgendwelche Skrupel oder etwaiges Mitgefühl beirren lässt, sondern voller Ehrgeiz einen Plan verfolgt. Einen Plan, über den man sich besser nicht den Kopf zerbricht, um nicht die eigene Treffsicherheit zu gefährden.
    Und auf einmal frage ich mich, wie mein eigenes Lächeln wohl wirkt.
    »Du bist ein verdammt guter Schütze, mein Junge«, lobte der Fremde mit dem verlebten Gesicht und den wachen Augen. Er hatte genau auf meine Atmung, meine Nasenflügel, die Pupillen geachtet, auf jedes noch so kleine Anzeichen von Emotion, wenn ich mitten ins Schwarze getroffen hatte. Er würde nichts finden, aber ich überlegte doch, warum ihn das so brennend interessierte.
    »Willst du es dir nicht noch mal ansehen?«, hakte er nach, während er den Knopf drückte, mit der man den Pappkameraden mit den sauber platzierten Einschusslöchern im Kopf heranholen konnte. »Nein? … Du hast echt ein gesundes Selbstvertrauen.«
    Wenn mir jedoch etwas fehlte, dann war es genau das.
    Vielleicht ließ ich mich deshalb auch von ihm zu einem Drink einladen, und dann zu noch einem und noch einem, und dabei ausfragen, auch wenn mich immer mehr der Verdacht beschlich, dass er längst alles über mich wusste.
    In jener Nacht kam ich erst gegen Sonnenaufgang nach Hause, sturzbetrunken und in der Hoffnung, Leticia so irgendwie wachzurütteln, die Gleichgültigkeit zu durchbrechen, die sich seit einiger Zeit bei uns eingenistet hatte.
    Leticia schlief jedoch seelenruhig weiter, sie bekam nichts von dem für mich ungewöhnlichen Vollrausch mit.
    Worauf die Apathie sich in unserem Leben noch ein wenig breiter machte.
    Deshalb nahm ich seine neuerliche Einladung auch an, als er mich Tage später im Büro anrief: Ich wollte mir meine Unabhängigkeit beweisen.
    Noch heute könnte ich jedes Wort des pseudophilosophischen Geschwafels wiedergeben, mit dem er mich an jenem Abend zu umgarnen versuchte. Und ich kann mich auch noch gut daran erinnern, was für einen Beruf er angeblich ausübte.
    Aber ehrlich gesagt wusste ich von vornherein, dass alles gelogen war. Der untrügliche, wenn auch eingerostete Instinkt des Piraten, der ich nie war, riet mir jedoch, ihm nach dem Mund zu reden, um der Sache auf den Grund zu gehen.
    Und so kam es, dass die frühere Nummer Drei mir am Ende der Nacht ein Angebot machte, das meinen grauen Alltag verändern sollte. Zumindest hoffte ich das damals noch.
    Ich muss zurück zu unseren Zelten. Ich muss nachdenken. Und vor allem muss ich Prioritäten setzen. Sie haben Tony im Visier, so viel ist klar, denn Leticias Auto ist jetzt sein Auto. Kurz bin ich versucht, ihm zu erzählen, wer die Vorbesitzerin war, lasse es dann aber bleiben: Er kennt meine Familie nicht und braucht nichts weiter zu wissen. Deshalb lobe ich das Auto für seine vielen PS und den guten Zustand, worauf Sofía die perfekte Nase rümpft und mit wackelndem Hintern verärgert davonrauscht.
    »Sie ist immer noch sauer auf mich«, erklärt Tony mit einem entschuldigenden Lächeln. »Sie hält mich für einen Geizhals, weil ich ihr nur einen gebrauchten Mercedes geschenkt habe und nicht einen von meinen Neuwagen. Aber sie fährt nun mal wie eine Verrückte und hat schon diverse Blechschäden verursacht …«
    Seine Sorge ist vollkommen verständlich. Dagegen verstehe ich nicht gleich, warum Tonys Miene sich verdüstert, kaum ist die Blondine aus unserem Blickfeld.
    »Außerdem kennen sie das Kennzeichen dieses Autos noch nicht. Ich habe es nämlich gerade erst gekauft.«
    Ich komme nicht drum herum, nachzubohren. Und es ist so wie befürchtet: Mein Freund aus Kindertagen ist mal wieder in Gefahr.
    Er deutet es nur vage an, aber die wenigen Hinweise reichen schon, damit ich mir Sorgen mache. In seinen Firmen gibt es Kompetenzgerangel, und ein ehrgeiziger Kompagnon, der einen MBA und nur wenige graue Zellen hat, will partout die Henne schlachten, die Tonys goldene Eier legt.
    »Eigentlich sollte mir das egal sein, denn seit ich Sofía kenne,

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