Wir toeten nicht jeden
wie vor ein beachtliches Kompliment«, sagt sie verschmitzt und prustet los, als mein Geschlecht sofort wieder nach oben schnellt. Auch ich muss nun lachen.
Wir machen uns trotzdem auf den Rückweg.
Wie sie so neben mir hergeht, ist sie mir ganz nahe. Und sie wirkt ein wenig nervös, als bräuchte sie eine Antwort auf ihre Einladung, die Gewissheit, dass ich zur Party komme. Ihr Interesse schmeichelt mir, sodass ich all meinen Mut zusammennehme und sage, dass ich mich sehr darauf freue, sie am Abend wiederzusehen … auch wenn sie dann bedauerlicherweise angezogen ist.
»Alles zu seiner Zeit«, entgegnet sie mit einem erleichterten Lächeln.
Es hört sich an wie ein Versprechen.
Leider kann ich nicht weiter flirten.
Ich beschleunige meine Schritte und versuche, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich schnell zu unseren Zelten zurückwill. Kurz vor den Waschräumen schütze ich ein dringendes Bedürfnis vor und verabschiede mich.
Sobald sie außer Sichtweite ist, mache ich um unsere Parzelle einen großen Bogen – mittlerweile ohne jede Spur einer Erektion – und gehe den Weg noch einmal zurück.
Hundert Meter Richtung Strand habe ich zwischen den Bäumen neben einem großen Wohnwagen ein Auto stehen sehen.
Es ist das Auto, das Leticia gehört hat – und dessen Fahrer jeden Moment ermordet werden kann.
07
Er erkennt mich nicht gleich wieder. Ich hingegen weiß sofort, wer er ist, auch wenn er inzwischen noch dicker ist als das letzte Mal. Er trägt geblümte Bermudas und eine hochwertige Augenklappe. Sonst nichts – sieht man einmal von seiner Beinprothese ab.
Fragend sieht er mich an, während aus dem Wohnwagen eine hochgewachsene, schlanke Blondine steigt, deren Brüste zu groß sind, um ihre eigenen zu sein. Sie ist splitterfasernackt und überall depiliert. Dennoch zolle ich ihr nicht die Bewunderung, an die sie gewöhnt ist, weil meine Überraschung, Tony auf dem FKK-Camping zu sehen, weitaus größer ist.
»Juan?«, stammelt mein Freund aus Kindertagen mit großen Augen.
»Hallo Tony«, erwidere ich, wobei es klingt, als wünschte ich mir, er wäre es nicht.
Wir umarmen uns linkisch, denn nackt, wie ich bin, komme ich mir ziemlich lächerlich vor.
Die Arme in die Hüften gestemmt, hat uns die Blondine dabei feindselig beobachtet. Sie heiße Sofía, sei vierundzwanzig und Tonys Freundin, stellt sie sich dann übellaunig vor, und erspart mir so, den offensichtlichen Altersunterschied schätzen zu müssen.
Tony hat mir derweil einen Campingstuhl hingeschoben und Bier aus dem Kühlschrank geholt und erklärt ihr nun strahlend, ich sei sein bester Freund, sein Piratenkapitän, sein verlorener und nun endlich wiedergefundener Bruder.
Am liebsten würde ich jetzt die Flucht ergreifen, aber ich muss der Sache mit dem Wagen auf den Grund gehen, auch wenn eigentlich klar ist, dass Tony ihn Leticia abgekauft hat, ohne zu wissen, dass er einmal meiner war.
Ich habe nicht viel zu berichten. Tony schon.
Er hätte einige Zeit gebraucht, um die auf die Amputation folgende Depression zu überwinden. Danach habe er aber neue Patente entwickelt. Den Erlös aus ihrem Verkauf habe er geschickt investiert und reinvestiert, bis er ein beachtliches Vermögen zusammengehabt hätte, erzählt er, worauf ich lächeln muss, weil sein »beachtlich« mich an Yolanda erinnert.
Jeder achtet nun mal auf das, was ihn am meisten interessiert.
Ich höre ihm sowieso nur mit halbem Ohr zu, denn eigentlich ist meine Aufmerksamkeit auf Sofía gerichtet, auch wenn ich sie dazu nicht ansehen brauche: eine Fähigkeit, die mich mein geheimer Beruf gelehrt hat. Natürlich nehmen meine Sinne ihre Nacktheit wahr. Aber auch etwas noch Gefährlicheres: Diese Frau ist scharf wie eine Klinge. Oder die vorderste Kugel eines Magazins. Oder die Hand, die dir mit einer zärtlichen Geste den Hals umdreht.
»Für einen fetten Krüppel habe ich also mehr als genug«, sagt Tony nun lachend und gibt Sofía einen Klaps auf den knackigen Po, ganz beseelt von seinem vollkommenen Glück, diese toughe Frau – die sich von ihm wahrscheinlich anbeten lässt wie eine Göttin – lieben zu dürfen und seinen Piratenkapitän wiedergefunden zu haben, dem er unwissentlich ein Auge und ein Bein geopfert hat.
Seine Euphorie registriere ich indessen nur am Rande, denn mich fesseln nicht nur Sofías Kurven, sondern auch das, was die Frau unter ihrer perfekten Hülle verbirgt.
Dabei ist sie nicht einmal mein Typ.
Schon viele Jahre zergrübele ich mir
Weitere Kostenlose Bücher