Wir toeten nicht jeden
sich an einem Stück Kotelett, das sie sich gerade mit der Gelassenheit derjenigen zu Gemüte führt, die wissen, dass ihre gute Figur nicht in Gefahr ist, solange es auf dieser Welt Fitnessstudios gibt.
Ich zeige es nicht, aber ich gäbe wer weiß was drum, wenn das Essen endlich vorbei wäre und die Kinder zu irgendeiner organisierten Freizeitaktivität aufbrechen würden. Denn ich muss dringend nachdenken. Doch vorher muss ich erst noch den obligatorischen Espresso hinter mich bringen.
Beltrán ist ziemlich verlegen, als meine Ex danach laut verkündet, dass sie sich auf eine schöne lange Siesta freut, und ihn mit Schlafzimmerblick zurück den Zelten zieht.
Erleichtert atme ich auf, als ich auf der Terrasse des Restaurants als Einziger zurückbleibe. Im Supermarkt habe ich mir vor dem Essen eine der letzten Gürteltaschen gekauft, die hier ein offenbar sehr begehrter Artikel sind, da sie einen zusätzlichen Vorteil haben: Wenn man die Tasche nach vorn dreht, kommt man sich etwas weniger nackt vor – allerdings auch ein bisschen lächerlicher. Darin befinden sich mein präpariertes Handy, der tödliche Taschenrechner und ein Päckchen Zigaretten. Vor mir auf dem Tisch steht außerdem noch ein Bourbon, und in den Händen habe ich ein Buch, das mir als Tarnung dient, damit ich als beliebiger Tourist durchgehe. Und ich bin halb angezogen. Es fällt mir nämlich ziemlich schwer, scharf nachzudenken, wenn ich nackt bin. Vor allem, wenn mir Yolanda wieder in den Sinn kommt.
Zu viele Zufälle.
Die frühere Nummer Drei sagte immer: Nimm dich in Acht vor merkwürdigen Zufällen. Und vor Nutten, die kleine Titten haben .
Letzteres habe ich nie begriffen, weil ich zu Nutten nur im Rahmen meines Killerjobs gegangen bin und sonst eher auf vollbusige Frauen stehe. Auf Frauen wie Yolanda.
Aber das mit den Zufällen sehe ich genauso. Als Killer muss man immer vor ihnen auf der Hut sein. Und noch nie sind mir so viele aufs Mal untergekommen.
Die ehemalige Nummer Drei hat mir allerdings auch beigebracht, dass man sich für die Analyse einer unklaren Situation immer den genauen Sachverhalt vor Augen führen muss, sämtliche Fakten mitsamt der Zweifel, die sich daraus ergeben.
Beginnen wir also mit den Fakten.
Von heute auf morgen hat man mich mit einer ungewöhnlichen Aufgabe betraut. Das ist zunächst nichts Besonderes: Ich muss immer wieder einmal einen Auftrag kurzfristig erledigen, und sie haben dabei noch nie Rücksicht auf Urlaubszeiten oder Sonn- und Feiertage genommen – was Leticia früher immer auf die Palme gebracht hat, weil man ihrer Meinung nach so keine echte Führungskraft behandelte. Nichtsdestotrotz liegt selbst diesen Eilaufträgen stets ein sorgfältig ausgearbeiteter Ablaufplan zugrunde, und auch die Gewohnheiten, Eigenheiten und tagtäglichen Fahrtrouten des »Kunden« sind vorher ausgekundschaftet worden.
Es ist allerdings schon Jahre her, dass ich einen »Kunden« observieren sollte. Das machen normalerweise andere, die in der Rangliste weiter unten stehen. Und außerdem hat sich Nummer Zwei so schwammig ausgedrückt, dass ich nicht weiß, was ich als Nächstes zu tun habe. Und das, wo sie genau wissen, dass die Kinder bei mir sind. Wirklich seltsam. Sonst lassen sie nicht die kleinste Kleinigkeit außer Acht, die uns von unserem Job ablenken könnte. Es kursiert sogar das Gerücht, dass Nummer Zwei einmal einen Auftrag um eine Woche verschoben hat, damit die Tochter des Kollegen ihre schwere Lungenentzündung auskurieren konnte. Dasselbe Gerücht, irgendwann aufgeschnappt, als ich mit ein paar Kollegen in einem leeren Apartment auf einen Einsatz wartete, geht allerdings noch weiter: Wenn das Mädchen in den sieben Tagen nicht gesund geworden wäre, hätte Nummer Zwei sie umbringen und es wie ein ärztliches Versagen aussehen lassen.
Ein Mörder, der sich Sorgen macht, schießt daneben.
Einer, der um einen nahestehenden Menschen trauert, trifft noch besser.
Diese Gedanken gefallen mir ganz und gar nicht.
Was mir hingegen sehr wohl gefällt, ist der Bourbon vor mir auf dem Tisch.
Und Yolanda, die mir gerade im Vorbeigehen zuwinkt. Sie hat wirklich einen üppigen Busen, so wie ich es in Erinnerung hatte.
Kommen wir zum nächsten Punkt: Der Wagen, dessen Fahrer ich anfangs liquidieren, jetzt aber bloß noch observieren soll, hat meiner Exfrau gehört. Kann es sein, dass sie das nicht wissen? Oder mich damit beauftragt haben, gerade weil sie es wissen?
Nein, ausgeschlossen. Am nützlichsten
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