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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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ist niemand außer uns und unseren Händen, die sich zu vervielfältigen scheinen, genau wie unsere Beine und unsere Geschlechter. So etwas kann man nicht vortäuschen, sage ich mir noch einmal und versuche nicht daran zu denken, wie oft ich es selbst vorgetäuscht habe. Es ist jedoch nicht vollkommen dunkel in der Hütte, durch die Ritzen fällt Licht und zeigt mir ihr Gesicht, ihre Gefühle und Tränen des Glücks. Mein Geschlecht sagt, dass sie echt sind. Und ich glaube ihm. Ein letzter Gedanke an die Kinder, die mit Leti als Anführerin sicher hervorragend zurechtkommen, und dann werden wir von den Wellen der Leidenschaft fortgerissen und verschlungen.
    Ich habe in meinem Leben schon viel zu viele Rollen gespielt, um nicht zu erkennen, wenn sich jemand verstellt. Als Erstes bekommt man beigebracht, nicht zu übertreiben. Das Außergewöhnliche fällt auf, und das ist nicht gut. Das hier ist außergewöhnlich. Und es ist trotzdem nicht gespielt, sage ich mir.
    Uns voneinander zu lösen tut weh. Sehr weh. Yolanda bleibt gerade noch Zeit, zu duschen und sich anzuziehen, bevor sie in ihr altes Auto steigen muss. Ich verkneife mir die Frage, warum sie es so eilig hat, wenn das Treffen erst am Abend stattfindet. Bestimmt gibt es einen logischen Grund: Höchstwahrscheinlich muss sie vorher noch zu der Freundin, bei der sie übernachten will.
    Die Sonne draußen kann uns trotz des Kontrasts zur dunklen Hütte nicht blenden, weil wir drinnen noch viel heller strahlten. Hand in Hand gehen wir durch das Wäldchen zurück und verabschieden uns in der Nähe des Restaurants.
    Ich sehe ihr nach, wie sie auf die Duschen zusteuert. Und gehe dann zurück, obwohl es mir eigentlich vollkommen widerstrebt. Jeder Schritt ist ein Nein. Jeder zurückgelegte Meter ist jedoch ein Ja, das mir ganz und gar nicht behagt.
    Auf der Anhöhe angekommen, will ich eigentlich gar nicht hinsehen. Aber ich tu’s dann doch.
    Ich will auch nicht zählen, welches ihre Hütte ist. Aber schließlich zähle ich doch.
    Als ich ins Restaurant zurückkehre, ist mir der Appetit vergangen, den der Sex eigentlich noch gehoben hatte.
    Die Hütte, zu der ich Yolanda begleitet habe, die sie mit ihrem Schlüssel aufgeschlossen hat und in der wir eine gute Stunde lang wie in einer anderen Welt waren, liegt am kurzen Ende des L.
    Es ist dieselbe, in der am Abend zuvor Sofía und der Schwede dasselbe getrieben haben wie Yolanda und ich.
     

14
     
    »Nicht den Tod sollte man fürchten, mein Junge, sondern dass man sich lächerlich macht«, erklärte die frühere Nummer Drei mir immer, wenn er sich nach einem erfolgreich ausgeführten Auftrag entspannte und einen über den Durst trank. »Nehmen wir als Beispiel einen erfolgreichen Unternehmer: einen Typen, der von Jugend an ackert, um auf Teufel komm raus nach ganz oben zu kommen, und sein Kapital immer wieder reinvestiert, anstatt sich zufriedenzugeben mit dem, was er hat, und es zu genießen. Weißt du, worauf ich hinauswill?«
    »Nicht ganz«, antwortete ich immer, denn er liebte es, sich stundenlang über dieses Thema auszubreiten.
    »Das ist völlig normal, du bist ja auch noch ein Grünschnabel, obwohl du schon verdammt gut bist in unserem Geschäft. Also weiter im Text: Die Firma des Typen expandiert und expandiert. Je größer sie wird, desto mehr muss er es natürlich auch zur Schau stellen und Wind darum machen. So weit verstanden?«
    »So in etwa«, flunkerte ich wieder, denn ich wusste natürlich genau, was jetzt kommen würde.
    »Und nun die Preisfrage: Wie beweist so einer, dass er sich durchgesetzt hat und ganz oben angekommen ist?«
    »Indem er sich tolle Autos kauft, Villen, ein Privatflugzeug?«
    »Das sind doch alles nur Kinkerlitzchen, mein Junge. Nein, Frauen! Die richtigen Frauen belegen, dass er zu den Siegertypen gehört. Hast du schon mal einen hochdotierten Fußballspieler gesehen, der mit einem Mauerblümchen verheiratet ist? Topkicker heiraten immer Models. Und wenn einer zufällig schon unter der Haube war, bevor er erfolgreich wurde, heißt es direkt nach seinem Wechsel zu einem namhaften Verein: tschüss Aschenbrödel und hallo Klassefrau. Nun, in unserer Branche haben wir es normalerweise nicht mit Fußballstars, sondern mit Unternehmern, Ärzten, Waffenschiebern oder was auch immer zu tun. Bei denen ist es aber genau das Gleiche. Der Karrierist aus unserem Beispiel sammelt nämlich keine Gemälde oder Villen, sondern junge, rassige Weiber, die ihm allesamt die kalte Schulter zeigen

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